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Zwinkau, Denise

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Huancarani 18.05.-12.06.2015
Das Examen in der Tasche - und nun? Da eine Famulatur während meines Studiums leider nicht möglich war klar, stand für mich fest, dass ich ein zahnärztliches Hilfsprojekt unterstützen will!
Nach etwas Internetrecherche stieß ich auf die Seite des FCSM, schrieb eine Mail und wenige Tage später stand fest: es geht nach Bolivien! Nach fünf Monaten Vorfreude und Vorbereitung ging es Anfang Mai endlich los! Mit Air Europa flog ich von Frankfurt nach Madrid und von dort nach Santa Cruz. Diese Airline kann ich wirklich empfehlen! Eine kleine Amaszonas Maschine brachte mich nach Cochabamba. Dort wurde ich sehr freundlich von Janine und Joaquin Hinojosa von der Sprachschule „Runawasi“ empfangen. Da meine Spanisch Kenntnisse noch etwas spärlich waren, entschloss ich mich für eine Woche Sprachschule und Unterkunft in einer Gastfamilie.
Akklimatisiert und mit erweitertem Spanisch Wortschatz ging es schließlich mit Ronald nach Huancarani. Dort wurde ich von Gerhard empfangen, mit ihm verbrachte ich meine erste Woche in dem bolivianischen Dörfchen, in dem gefühlt mehr Hunde als Menschen leben.
Die Volontärswohnung ist top ausgestattet, 24h Warmwasser und Strom, sogar eine Waschmaschine gibt es in der Zahnarztpraxis. Kein bolivianischer Standard, bis auf den Fernseher, der darf auch bei der einheimischen Bevölkerung nicht fehlen.
In meinen vier Wochen Aufenthalt hatte ich drei Kollegen, die mit mir arbeiteten und zusammen lebten. Wir haben alle das Angebot von Doῆa Adela in Anspruch genommen und mittags und abends bei ihr gegessen. Dass die Mahlzeiten nicht so schmackhaft sein sollen, wie ich in einigen Berichten gelesen habe, kann ich so nicht bestätigen. Sie kocht nun mal bolivianisch und hat sich vor allem immer viel Mühe gegeben, die Gerichte etwas abwechslungsreich zu gestalten, auch als sie krank war. Man kann sich darüber hinaus immer noch mit anderen Köstlichkeiten eindecken, die die Märkte zu bieten haben. Unter der Woche kann es schwierig werden, sich mit Obst und Gemüse zu versorgen. Aufgrund der recht langen Arbeitszeiten hat man nur am Montagvormittag und am Wochenende Freizeit, in der man das Consultorio verlassen kann und nach Sipe Sipe, Quillacolla, Cochabamba,… fahren kann um Dinge zu kaufen, die es in den Tiendas nicht gibt. Brötchen, Eier, Milch, Käse, Bier und selbstverständlich Süßigkeiten und eine Auswahl an Getränken der Coca Cola Company bekommt man problemlos im Ort.
Da die Kinder Hauptabnehmer der süßen Dinge sind, hatten wir auch entsprechende Behandlungen. Oft kamen Kinder ganz allein ins Consultorio oder in Begleitung ihrer Geschwister. Leider nicht immer angetrieben aus Neugier oder mit dem Wissen, dass es ein kleines Geschenk gibt, sondern auch oft mit starken Zahnschmerzen. Beim Anblick der Milch-und Wechselgebisse war klar, dass hier ein riesengroßes Problem vorliegt. Spätestens nach dem Besuch der Schule mit Ronald und den Kolleginnen Insa und Birgit war klar, dass hier mehr passieren muss als Putztraining. Viele Kinder besitzen keine Zahnbürsten und zu allem Übel findet ein permanenter Zuckerkonsum statt. Nach gemeinsamem Zähneputzen wird sofort der Lolli wieder in den Mund genommen, in der Pause gibt es gesüßte Milch, Muffins und andere Süßigkeiten. Nicht nur die Tiendas und Verkaufsstände vor der Schule verkaufen das ganze Zeug, selbst im Kiosk in der Schule gibt es ausschließlich zuckerhaltige Nahrungsmittel. Auch uns brachte ein Lehrer nach unserem kleinen spielerischen Präventionsprogramm Coca Cola. Von einem gesundheits- und vor allem zahnbewusstem Ernährungsverhalten - keine Spur! Entsprechend hieß es leider auch oft bei den Kleinsten „Zacke zur Backe“. Da kommt es auch mal vor, dass bei 9jährigen die völlig zerstörten 6er gezogen werden müssen. Nicht nur, dass jedesmal etwas in mir gestorben ist, als ich solche Gebisse gesehen habe, die Gewissheit, dass die eigene Arbeit nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein ist“ hatte fast lähmenden Charakter.
Die Anzahl der Patienten pro Tag hat stark geschwankt, von einem bis zehn  war alles dabei. Die Erwachsenen hatten oft sehr viel Zahnstein und Konkremente, ansonsten war von Füllungen über Endo und Extraktionen von allem ein bisschen dabei. Insgesamt war aber leider doch recht wenig los und man macht sich Gedanken, woran dies liegen könnte. Meinem Anschein nach wissen die Menschen dort nicht, dass es sich bei diesem Consultorio mit den Deutschen um ein Hilfsprojekt handelt und fragen sich, wie die günstigen Preise für die Behandlungen zustande kommen. Vielleicht fehlte auch das Vertrauen in die jungen, deutschen Zahnmedizinerinnen. Die Kinder waren jedoch immer sehr aufgeschlossen und fungieren als Bindeglied zwischen uns und ihren Eltern. Diese positive Eigenschaft sollte man unbedingt nutzen, um langfristig etwas zu verändern.
Insgesamt hatte ich eine wirklich schöne Zeit, die ich auf keinen Fall missen möchte. Ich hatte einen regen Erfahrungsaustausch mit den anderen Volontären, habe eine für mich neue Kultur kennen gelernt und habe neue Praxiserfahrung sammeln können, mit einer brasilianischen Einheit, die manchmal ihre Tücken hatte.
Darüber hinaus hat Bolivien landschaftlich einiges zu bieten! Die Wochenenden sollten unbedingt für Ausflüge genutzt werden, es gibt sehr viel zu sehen und zu erleben.
Da teilweise viel Leerlauf war, ist das Projekt für Zahnärzte, die auch im Urlaub möglichst vielen helfen wollen, eher ungeeignet. Huancarani ist meiner Meinung nach perfekt für frisch approbierte Zahnärzte, die entscheidungsfreudig sind und sich auch etwas zutrauen aber sich nicht überschätzen.
Wer noch Fragen hat und mehr erfahren möchte, kann mich gerne kontaktieren:
denise.zwinkau@gmx.de
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