Kuntz, Johanna
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Guadalupe vom 1.5. bis 9.7. 2004
Die Arbeit in der Klinik hat uns grossen Spass gemacht. Da die Klinik sehr gut ausgeruestet ist und dank der Helferinnen Maria und Lida ist es hier moeglich nach deutschem Standard zu arbeiten. Wie zu erwarten, war das, was wir hier in den Muendern der Patienten zu sehen bekamen haben zum Teil ziemlich erschreckend.
So gehoerten Reihenextraktionen sowohl von Milch- als auch von Bleibenden- zaehnen bei Kindern und Jugendlichen zur Tagesordnung. Viele der Jugendlichen haben bereits keine Frontzaehne mehr und tragen sehr schlechte Prothesen. Im allgemeinen gibt es so gut wie keine prothetische Versorgung, so dass viele Patienten nicht einmal ueber diese Art von Zahnersatz verfuegen.
Desweiteren legten wir unzaehlige zum Teil riesige Amalgamfuellungen in Praemolaren und Molaren sowie Kompositfuellungen in Frontzaehne. Das Aussmass der Karies und die Anzahl der Zaehne mit Karies ist hier in der Mehrzahl der Faelle sehr gross, da die meisten Patienten erst dann den Zahnarzt konsultieren, wenn sie Schmerzen haben.
Daher werden Wurzelkanalbehandlungen nur bis zu den Eckzaehnen durchgefuehrt, da die Patienten, wenn sie nach der ersten Behandlung schmerzfrei sind, einfach nicht mehr erscheinen. Einige Patienten erscheinen auch mit einer temporaeren Medikamenteneinlage, die sich einige Monate wenn nicht laenger in dem Wurzelkanal befand.
Die Routine fuer Extraktionen und Osteotomien haetten wir in Deutschland nach so kurzer Zeit wahrscheinlich nicht erlangt. Es war sehr lehrreich die Operationen durchzufuehren, da viele der zu extrahierenden Zaehne zwar eine total zerstoerte Zahnkrone aufweisen (vor allem Molaren), aber parodontal noch gesund sind, wodurch sie mit der Zange bei der Extraktion sehr schlecht zu fassen sind.
Viel Spass hat uns auch die Arbeit mit den Kindern gemacht. Allerdings ist dies am schwierigsten hier, da die meisten Kinder furchtbare Angst haben. Viele Eltern erzaehlen ihren Kindern, wenn sie beim Zahnarzt nicht brav den Mund aufmachen, wird ihnen der Zahnarzt wehtun und sie schlagen. Daher haben viele Kinder vor der Behandlung panische Angst und fangen manchmal schon beim blossem Anblick eines Arztes an zu weinen. In manchen Faellen war eine Behandlung dann nur durch eine Sedierung moeglich, da die kleinen Patienten wie wild um sich geschlagen, gestrampelt und geschrieen haben. Gemeinsam mit einem der anwesenden Allgemeinmediziner haben wir die Sedierung der Kinder durchgefuehrt. Dazu haben wir Ketamin i.m. angewendet, was aehnliche Eigenschaften wie das in Deutschland meist benutzte Dormikum aufweist. Nach etwa einer Stunde Wartezeit in dem Aufwachraum haben wir dann die Kinder unter der Obhut ihrer Eltern entlassen.
Wir haben stets versucht den Patienten die Wichtigkeit der Zahnreinigung und auch die Technik derselben beizubringen, da es doch etliche gibt, die davon noch nie etwas gehoert haben geschweige denn eine Zahnbuerste besitzen.
Die Behandlungstuehle sind ein wenig rustikal und gewoehnungsbeduerftig, erfuellen aber alle Anforderungen. Desweiteren ist die Klinik, was den zahnaerztlichen Bereich angeht, dank der Spenden und dem Foerderverein sehr gut mit Materialien und Instrumentarium ausgestattet. Man sollte bei Abreise allerdings schauen was zur Neige geht bzw. gegangen ist und bald wieder benoetigt wird, so dass der Pater dies den Nachfolgern mitteilen kann.
Natuerlich gab es auch die eine oder andere Schwierigkeit zu meistern, wie zum Beispiel Behandeln bei Stromausfall –eine gute Taschenlampe hilft immer weiter- oder die Absauganlage, die etwas schwach auf der Brust ist. Aber man gewoehnt sich daran und kommt gut klar. Bei Stromausfall haben wir meist provisorische Fuellungen gelegt und/oder Befunde erstellt. Und Zaehne kann man immer ziehen...
Aber alles waere noch ein wenig komplizierter gewesen, wenn Lida und Maria, die Zahnarzthelferinnen, uns nicht zur Seite gestanden haetten. Vorallem was unsere zu Beginn doch limitierten Spanischkenntnisse angeht, waren sie unersetzlich und eine riesige Hilfe.
Es ist sehr hifreich, wenn wenigstens ein paar Grundkenntnisse in Spanisch vorhanden sind, da die Kommunikation mit den Patienten sonst doch zu schwierig wird. Viele Anweisungen und Erlaeuterungen konnten uns zum Glueck Lida und Maria zunaechst am Anfang abnehmen, doch nach und nach vergroesserten wir unseren Wortschatz, so dass selbst kleine Gespraeche ueber Land und Leute mit den Patienten auf Spanisch moeglich waren.
Fuer den Verkauf der fichas (Befundboegen) ist Rita an der Rezeption zustaendig, das heisst wie viel Patienten pro Tag Anspruch auf eine Behandlung haben. Diese fichas werden fuer einen Dollar verkauft. Die Patienten fahren zum Teil mitten in der Nacht los und kampieren dann vor der Klinik bis diese endlich geoeffnet wird. Dadurch ist es auch ab und zu vorgekommen, dass die Kinder auf dem Stuhl eingeschlafen sind. Und die Reihenfolge sollte man wirklich so abarbeiten, wie sie von Rita durchnummeriert ist, da es sonst zu Misstimmung unter den Patienten kommt. Allerdings war bei uns nur am Anfang unserer Zeit hier in Guadalupe viel los, da Spezialisten, ein HNO-Arzt und ein Augenarzt mit seinem Team, da waren, danach war zum Teil sehr wenig los, weil die Strassen durch den vielen Regen unpassierbar waren und aufgrund von Strassenbauarbeiten ein Teilstueck der Strasse nur fuer einige wenige Stunden pro Tag geoeffnet wurde.
Auch um sich mit den Schwestern bei den dreimal taeglichen gemeinsamen Mahlzeiten unterhalten zu koennen, ist Spanisch unerlaesslich. Zur Zeit sind hier die Schwestern Gladis, Alexandra, Andrea und Edith. Sie sind sehr interessiert an einem und da haben wir dann doch bedauert, dass unsere Spanischkenntnisse so begrenzt waren. Aber Basketball spielen funktioniert ja auch ohne viele Worte.
Was wir anfangs nicht wussten und weshalb anfangs leider eine unentspannte Atmosphaere entstand, ist die Tatsache, dass Essen hier einen sehr hohen Stellenwert einnimmt und Unpuenktlichkeit oder gar das Nichterscheinen beim Essen einer Beleidigung gleichkommt. Viele Sachen bekommt man erst im Laufe der Zeit mit, andere aber vielleicht auch erst nach Jahren. Leider lasst es sich im Klinikbetrieb aber nicht immer einrichten, puenktlich zum Essen zu erscheinen. Eventuelle Probleme koennen und sollten jederzeit mit dem Padre Georg oder auch Jorge besprochen werden.
Freizeitaktivitaeten sollte man waehrend der Woche nicht erwarten, da man solange es hell ist –und das ist nur von 6 in der Frueh bis um 7 am Abend- mit Arbeiten und Essen beschaeftigt ist. Das einzige was bleibt, ist das gelegentliche Basketball- oder Fussball-spielen mit den Schwestern und der Dorfjugend.
Am Wochenende kann man sich mit Gummistiefeln bewaffnet –sehr wichtig wegen dem vielen Schlamm und Matsch und auch wegen denen vor allem in der Regenzeit vermehrt anzutreffenden Schlangen- auf die Wanderung zu machen und die Umgebung zu erkunden. Auch Vilcabamba ist eine Tour wert.
Wir hatten das Glueck einem Geburtstagsfest des Paters beizuwohnen. Verschiedene Delegationen aus den umliegenden Ortschaften waren angereist um folkloristische Taenze und Musik zum Besten zu geben. Eine Augen- und Ohrenfreude mit viel gemeinschaftlicher Atmosphaere.
Wenn ihr motiviert seid euch dem Lebensrhythmus hier anzupassen und vorruebergehend Teil der Klostergemeinschaft zu werden und eine gewisse Routine im Meistern von schwierigen zahnaerztlichen Eingriffen erlangen wollt, koennen wir euch einen Aufenthalt in Guadalupe sehr empfehlen. Es gibt viele interessante Erfahrungen zu machen und die unterschiedlichsten Leute zu treffen.
An dieser Stelle moechten wir den verschiedenen Dental-Firmen und Privatpersonen danken, die es uns ermoeglicht haben mit zwei grossen Reisetaschen gefuellt mit Lokalanaesthetika, Kanuelen, Zahnpasten, Fuellungsmaterialien usw. hier anzureisen.
Johanna Kuntz