Hanske, Norman
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Bolivia movil 16.08.2019 – 01.09.2019
Schon seit dem Studium hegte ich den Wunsch an einem zahnärztlichen Hilfsprojekt im Ausland teilzunehmen. Ein unbekannter Kontinent, eine fremde Kultur und nicht zuletzt die Möglichkeit, die Zahnmedizin auf eine neue Weise zu erfahren, reizte mich. Im April 2019 baute ich den Kontakt zum FCSM, genauer gesagt zu Dr. Ekkehard Schlichtenhorst, auf. Glücklicherweise konnte mir Ekkehard sehr zügig eine Zusage für das Projekt Bolivia movil geben und ich war überaus froh und gespannt, was mich in Bolivien erwarten würde.
Am 14. August 2019 ging es dann zunächst von Hamburg nach São Paulo. Nach einem zweitägigen Stop-over reiste ich über Santa Cruz und Cochabamba schließlich nach Sucre. Dort holte mich Ekkehard freundlicherweise noch am späten Abend vom Flughafen Sucre ab. Mit dem Taxi ging es dann zügig in das "Corona Real" Hostal in der Stadt.
Am Folgetag lernte ich erwartungsvoll meine Mitstreiter*innen Sandra, Amira und, Hagen (Team 1), sowie Daniela und Fabian (Team 2) kennen. Gemeinsam sortierten wir Instrumente, sterilisierten diese und packten die Materialien für unsere bevorstehenden Aufgaben. Ekkehard führte uns in die Geheimnisse der mobilen Einheiten und der Absauganlange ein.
Da wir an diesem Samstag alle Vorbereitungen erfolgreich abschließen konnten, stand einem Ausflug nach Tarabuco am folgenden Sonntag nichts mehr im Weg. Nach einer einstündigen Trufi-Fahrt und weiteren 500 Höhenmetern genossen wir das belebte sonntägliche Markttreiben.
Am Montag, den 19. August, war es endlich soweit, neugierig und aufgeregt fuhren wir mit Daniela und Fabian zur Schule Gualberto Paredes in Azari, einem Vorort von Sucre. Dort wurden wir von dem Direktor der Schule und der gesamten Schülerschaft beim wöchentlichen Fahnenappell herzlich in Empfang genommen. Nun konnte die Behandlung der Kinder beginnen. Die Kinder waren uns und der Behandlung gegenüber sehr aufgeschlossen. Erschreckend jedoch war die teils sehr mangelhafte Mundhygiene der Kinder und das fehlende Verständnis für die Ätiologie von Karies. Folglich ist der Zuckerkonsum der Schüler, begünstigt durch die umliegenden Süßigkeitsstände, extrem hoch.
Tiefzerstörte 6-Jahr-Molaren und beidseitige Freiendsituationen waren keine Seltenheit.
Wir machten uns ans Werk und hatten die kommenden zwei Wochen reichlich mit Füllungen, Extraktionen und Mundhygieneinstruktionen zu tun. Nichtsdestotrotz haben die Kinder mutig die Behandlungen durchgestanden.
Leider streikte unsere mobile Einheit zweimal und musste durch das lokale Dentaldepot repariert werden. Durch den unermüdlichen Einsatz von Ekkehard wurde die Einheit schnellstmöglich instand gesetzt und wir konnten wieder schleifen und bohren. Unsere Mittagspausen verbrachten wir in einem landestypischen „Handwerker-Lokal“, in dem wir mit authentischer bolivianischer Küche versorgt wurden.
An den Wochenenden blieb Platz für Ausflüge in die Minenstadt Potosi, mit dem obligaten Besuch der aktiven Silbermine, einer geführten Motorradtour durch das Umland von Sucre und einer Wanderung zum Maragua Krater (an der ich leider krankheitsbedingt nicht teilnehmen konnte). In Sachen Freizeitgestaltung hat Sucre für jede*n Volontär*in den passenden Ausflug zu bieten.
Zufälligerweise fand am 01. September der nationalweite Feiertag „Tag des Fußgängers“ statt. An diesem Sonntag verkehren von 09:00 Uhr bis 18:00 Uhr keine Autos (mit wenigen Ausnahmen) und so kamen wir in den Genuss, auf den sonst abgasgeplagten verstopften Straßen spazieren zu gehen und das bunte Treiben zu beobachten.
...und Huancarani 02.09.2019 – 07.09.2019
Nach 2 Wochen in Sucre ergab sich die Möglichkeit, den Hilfseinsatz im Consultorio Dental "Huancarani" fortzusetzen. Dieses kleine Dorf liegt etwa 35 km südwestlich von Cochabamba, an der Fernstraße nach La Paz. Die Strecke legten wir mit dem Cama-Bus zurück, den Ekkehard uns dankenswerter Weise gebucht hatte. Diese Nachtbusse haben extrem breite Sitze, welche sich um fast 180 Grad umklappen lassen. So war es nicht verwunderlich, dass die gesamte Fahrt sehr angenehm war und wir reichlich Schlaf gefunden haben.
Das Consultorio in Huancarani ist vergleichbar mit einer europäischen Zahnarztpraxis und für bolivianische Verhältnisse extrem gut ausgestattet und komfortabel.
Wir wurden in einem sehr gut ausgestatteten Appartement über dem Consultorio untergebracht. Ekkehard versorgte uns täglich mit frischen Brötchen, die teilweise an unsere heimischen Backwaren heranreichten. Unsere mitttägliche Verpflegung wurde durch Doña Adele, die gute Seele des Anwesens, zubereitet. Sie ging auf individuelle Essens-Wünsche selbstredend ein.
Auch hier wurde unsere Arbeit von den Bewohner*innen gut angenommen. Auffallend war, dass grad die älteren Patienten einen vergleichsweise guten Zahnstatus hatten. Vermutlich liegt dies an der anderen Ernährungsweise der älteren Bevölkerung.
Huancarani verfügt über ein komplett eingerichtetes Dentallabor, so ist es möglich mit einem Zahntechniker sogenannte Placas (Kunststoffprothesen mit handgebogenen Klammern) anzufertigen. Leider war bei unserem Besuch kein Techniker vor Ort, deshalb übernahm Ekkehard nach Möglichkeit kleinere und größere Prothesenreparaturen.
Die Abende in Huancarani wurden in geselliger Runde und kurzweiligen Gesprächen oder gemeinsamen Kartenspielen beendet.
Die Woche in Huancarani verging wie im Flug und so hieß es am 07. September auch schon Abschied nehmen. Die Söhne von Doña Adele brachten mich mit ihrem Van zum Flughafen in Cochabamba.
Mit etwas Wehmut, vielen neuen Erfahrungen und Eindrücken betrat ich den Flieger in Richtung Heimat.
Ich kann die beiden Projekte jedem zahnärztlichen Kollegen, der schon immer mal über den Tellerrand hinausschauen wollte, sehr empfehlen. Die Organisation vor dem Einsatz war von Seiten des FCSM (Ekkehard) stets aufschlussreich und detailliert.
Ich möchte mich nochmals bei dem FCSM, insbesondere Ekkehard, der Firma DMG und der Zahnarztpraxis Jan Hendrik Halben für die Ermöglichung dieses Einsatzes bedanken.
Norman Hanske