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Li Haoran

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Bolivia movil 14.08. - 22.09.2017
Ein großes Abenteuer – Volontariat mit FCSM in Bolivien
 
Eine grandiose Reise, ein tolles Erlebnis, ein großes Abenteuer (…). Es fällt mir schwer, die Erlebnisse in Bolivien mit einem passenden Adjektiv auszudrücken. Von der malerischen Schönheit Boliviens auf dem Salar bis zu den erschreckenden Arbeitsbedingungen in der Silbermine in Potosí, Bolivien bietet für jede Frau / jeden Mann das passende Paket. Auf dieser Reise fehlte es an nichts, was das Herz eines Adrenalinjunkies wie mich begehrt. Ich fühlte mich in dem multiethnischen Land willkommen, frei und respektiert. Ich möchte mit euch diese wunderbare Erfahrung teilen…
Alles begann mit einer Internetrecherche im Okt. 2016. Es war ein verregneter Herbstabend. Meine Gedanken waren bei der Vorbereitung für den morgigen Behandlungskurs der konservierenden Zahnheilkunde an der Uni Halle. Plötzlich ergriff ein Gefühl von mir Besitz, dass ich aus dem stressigen Uni-Alltag herausbrechen muss, einfach mal was anderes erleben! Geleitet von den Auslandsfamulaturberichten meiner älteren Kommilitonen machte ich mich auf die Suche in der grenzenlosen World Wide Web nach einer passenden Möglichkeit für mich in einer fremden Kultur eine Wohltätigkeit auszuüben. Mit meiner persönlichen Vorliebe für Südamerika stand für mich schnell fest, dass FCSM der RICHTIGE ist.
Gemacht, getan. Nach zügigen Korrespondenzen mit dem Vize-Präsidenten des „Fördervereins Clinica Santa Maria“ Dr. Ekkehard Schlichtenhorst unterschrieb ich schnell den Volontariat-Vertrag und bereitete mich auf die 2-monatige Reise vor, die aus 3 Wochen Sprachschule für Spanisch und 6 Wochen „Bolivia Movil“ besteht, nähere Erläuterung folgt im Anschluss. Ich ließ mich gegen 5 Serotypen von Meningokokken, Tollwut, Typhus und Gelbfieber impfen. Ich beantragte ein Visum bei der bolivianischen Botschaft in Berlin, da ich noch kein deutscher Staatsbürger bin, wurde ich kräftig zur Kasse gebeten. Ich kaufte die Flugtickets bei Hajo Siewer, ein Reisebüro, das die Flüge wegen der guten Beziehungen zu den Fluggesellschaften günstiger anbieten kann als die Konkurrenz. Die Zeit verging wie im Flug, Anfang Juli 2017 packte ich meine Sachen für den Aufenthalt, in einem mir bis dahin unbekannten Kontinent.
Angekommen in Bolivien nutzte ich die ersten 3 Wochen, um mich sprachlich aufzurüsten, da die Bevölkerung überwiegend nur Spanisch und Quechua spricht. Falls jemand eine gute Adresse für eine Sprachschule sucht, kann ich „Escuela Runawasi“ in Cochabamba sehr ans Herz legen. Mithilfe kompetenter Lehrkräfte und Übungen in der Gastfamilie gewöhnte ich mich schnell an der bolivianischen Mentalität und lernte schnell, mich mit wenigen Kardinalwörtern durch den entschleunigten Alltag durchzuboxen.
Das stationäre „Consultorio“ von FCSM in Huacarani liegt nur 1 Stunde Busfahrt von Cochabamba entfernt, weshalb ich direkt die Möglichkeit ergriff, der dort nur temporär stationierten Zahnärztin Maja und ihrer Assistentin Carolin nach der Sprachschule für paar Stunden zu assistieren. Damit ist der Bogen zu meinem Einsatz rundum Sucre, die konstitutionelle Hauptstadt Boliviens, geschlagen.
Ekkehard empfang mich pünktlich am Flughafen Sucre und bereitete mit Dieter B., einem erfahrenen Zahnarzt aus dem Rheinland, und mir zusammen die Gerätschaften vor. Er weihte uns in die lokalen Gepflogenheiten ein und lud uns herzlich zur Churrascaria ein. Einen Tag darauf war unser Bolivia Movil Trio mit der Ankunft des Zahnmedizin-Studenten aus Tübingen, Boris K., nun vollständig und einsatzbereit. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Ekkehard, der durch sein unermüdliches Engagement uns diese einzigartige Gelegenheit ermöglicht hat, in einem weit entfernten Land eine Wohltätigkeit ausüben zu dürfen.
Die Philosophie des Bolivia Movil Projekts basiert auf dem Prinzip, mit mobilen Einheiten in verschiedenen Einrichtungen die Lokalbevölkerung zahnmedizinisch versorgen zu können. Das Behandlungsteam besteht aus einer Zahnärztin od. einem Zahnarzt. und 2 Student/Innen, die abwechselnd unter ständiger Aufsicht vom Zahnarzt/In behandeln dürfen. Unser Fokus lag bei Kindern und Jugendlichen von 5 – 18 an Schulen und Internaten in der Umgebung von Sucre.
Unsere Behandlungen beschränkten sich auf die Prophylaxe, Kariestherapie und Schmerztherapie und Extraktion. Endodontische Behandlungen waren ausgeschlossen aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit der Patienten. In Bolivien fehlt es nicht nur an Zuverlässigkeit vom Patienten, sondern auch das Bewusstsein für die orale Gesundheit. Für viele ist der Zusammenhang zwischen dem übermäßigen Zuckerkonsum und der Kariesentstehung nicht klar. Dementsprechend stellten wir leider viele nicht erhaltungswürdige bleibende Zähne sogar schon bei 6-Jährigen fest, für die die einzige Lösung die Extraktion lautete. Analog dazu fanden wir viele Pulpapolypen bei den Milchzähnen vor, die uns großflächig von okklusal grüßten. Nicht selten sahen wir strukturelle (akzessorische Höcker) und numerische Anomalien sowie Mesiodentes. Die jungen Patienten verhielten sich meist ruhig und tapfer auf dem Behandlungsstuhl, welches Verhalten uns das flüssige Arbeiten sehr begünstigte.
Das Behandlungsteam bestand in den ersten 3 Wochen aus Dieter B. Boris und mir. Zur Halbzeit löste Dieter A., der ebenfalls aus dem Rheinland stammt und sehr erfahren ist, den ersten Dieter B. ab. Wir arbeiteten zu jeder Zeit in Bolivien im wahrsten Sinn des Wortes Hand in Hand zusammen und halfen uns gegenseitig im Alltag. Wir waren von vornherein ein perfekt eingespieltes Team! An dieser Stelle richtet sich mein herzliches Dankeschön an Dieter B., Dieter A. und Boris K. Ihr habt mir eine wunderschöne Zeit beschert und mir unheimlich viel fürs Leben und den Beruf beigebracht, außerdem machte es mir einen Heidenspaß, mit euch zu arbeiten.
Es wäre kein konstruktiver Erfahrungsbericht, wenn der Inhalt nicht auch mit ein paar Verbesserungsvorschlägen speziell bezüglich der Wahl der Einsatzorte ergänzt wird. Wir waren in 3 verschiedenen Orten unterwegs, die alle eine unterschiedliche Klientel vorwies, dennoch bildeten die Kinder und Jugendlichen die größte Gemeinsamkeit aller Einsatzorte. In letzteren beiden Orten war die zahnmedizinische Nachfrage durch die Kinder / Lokalbevölkerung so gering, dass wir sehr oft Leerläufe einschieben mussten. Diese geringe Nachfrage ist vermutlich durch Ängste vor ausländischen Zahnärzten oder durch die andere Mentalität in Südamerika, wo die Prokrastination zum Alltag gehört, zurückzuführen. Obwohl wir die Zeit mit guten Gesprächen oder Aktivitäten füllen konnten, empfanden wir dennoch die mangelnde Akzeptanz/Annahme der Dienstleistung als nicht erfüllend. Zudem gilt Bolivien als ein Hochrisikoland für die Chagas-Krankheit, welche durch die nachtaktiven Vinchuca-Wanzen übertragen werden können, es wäre deshalb nicht unwahrscheinlich, dass einer der Einsatzorte von diesen gefährlichen Blutsaugern befallen werden könnte. An dieser Stelle möchte ich daher an die Administratoren appellieren, trotz des hohen zahnmedizinischen Versorgungsbedarfs in Bolivien jeden Einsatzort genau unter die Lupe zu nehmen, bevor diese für die Volontarios freigegeben werden, um die Sicherheit jedes Helfers gewährleisten zu können.
Positiv anzumerken ist die gute Verkehrsanbindung Sucre zu den großen Sehenswürdigkeiten Boliviens. So nutzten wir die Wochenenden zwischen den Einsätzen die must-sees abzuklappern: Salar de Uyuni, Cochabamba/Toro Toro Nationalpark, Dinosaurier Fußspuren um Sucre, Potosí und La Paz und evtl. Santa Cruz. Oder man hat das Glück zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein: bei der großen „Fiesta de Virgn de Guadalupe“ im September.
Mein Fazit fällt für diesen Einsatz überwiegend positiv aus. Die unkomplizierte Art mit FCSM, Dieter´s und Boris zu arbeiten machte mir richtig Spaß, obwohl es manchmal auch schwierige Momente gab. Bolivien ist sowohl kulturell, als auch landschaftlich ein sehr vielfältiges und schönes Land, das man als offener, in fremde Kulturen interessierter Mensch definitiv gesehen haben muss.
Haoran Li ,  Halle, 19.10.2017
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