Gulidjan, Nawid
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Bolivia movil 21.08. - 29.09.2017
Abre la Boca! - Unser Kampf gegen die Karies
Über mich:
Als sich mein Zahnmedizinstudium in Hamburg dem Ende neigte, stellte sich die Frage, wie genau es nach dem Studium weiter gehen sollte. Um das mühsam für das Examen angelernte Wissen anzuwenden und praktische Erfahrung abseits der Uniklinik zu sammeln, entschied ich mich für eine Famulatur – da ich ein wenig von der Welt sehen wollte, sollte diese im Ausland stattfinden.
Die Organisation:
Die Idee, eine zahnmedizinische Auslandsfamulatur zu machen, spukte schon länger in meinem Kopf herum – um diese Idee dann tatsächlich in die Tat umzusetzen, machte ich mich schon im Sommer 2016 auf die Suche nach der richtigen Organisation. Fündig wurde ich über die Seite des „Zahnmedizinischen Austauschdienstes (ZAD)“, die mehrere Organisationen, darunter den „Förderkreis Clinica Santa Maria e.V. (FCSM)“ auflistet.
Nachdem ich mehrere Projekte angeschrieben und einige Rückmeldungen bekommen hatte, entschied ich mich aus mehreren Gründen für den FCSM:
- Anders als bei vielen Projekten meldete Ekkehard sich sehr schnell und ausführlich zurück. Auch bei Nachfragen oder Problemen war Ekkehard stets gut erreichbar – sehr wertvoll besonders in der Vorbereitungszeit.
- Nach kurzer Eingewöhnungsphase darf man selbst am Patienten arbeiten und viele interessante und wertvolle praktische Erfahrungen sammeln.
- Auch übernimmt der FCSM die Kosten für Unterkunft und Verpflegung unter der Woche, sodass man aus finanzieller Sicht sorgenfrei unterwegs ist – besonders für Studenten oder Frisch-Approbierte wie mich ein wichtiger Punkt!
Reisevorbereitungen:
Einige Monate vor der geplanten Abreise nahmen Julia – meine spätere Mitfamulantin – und ich Kontakt auf, um unseren Flug gemeinsam zu buchen.
Diesen buchten wir frühzeitig über ein Reisebüro, wobei unsere Reiseroute von München über Madrid nach Santa Cruz führte. Wir flogen mit Air Europe, einer günstigen, aber nicht sehr komfortablen Airline. Hin- und Rückflug kosteten uns so ca. 1000 Euro pro Person, eine Übernachtung im Hotel in Santa Cruz mit inbegriffen. Den Flug von Santa Cruz nach Sucre buchten wir – ebenfalls von Deutschland aus – über die Fluggesellschaft Amaszonas, weil wir mit der Buchung direkt bei BoA Schwierigkeiten hatten.
Eine gute Anleitung, wie man den Flug bei BoA buchen kann, findet ihr in Julias Famulaturbericht!
Auf die Reise bereitete ich mich größtenteils mit dem Reise-Check vor, der vom FCSM bereitgestellt wird. Auch ein Blick in die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts ist im Vorfeld sinnvoll.
Besonders wichtig bei der Reisevorbereitung sind die Impfungen, um die man sich frühzeitig kümmern sollte. Die Gelbfieber-Pflichtimpfung ist schnell erledigt, eine optionale Tollwut-Impfung benötigt jedoch mindestens 3 Termine mit Abständen von jeweils 1 Woche.
In diesem Zeitraum sollte man sich ebenfalls um Reisekostenzuschüsse kümmern (beim DAAD oder direkt beim FCSM).
Unser Projekt in Sucre an der Escuela Sagrada Familia:
In Sucre angekommen, wurden wir schon am Flughafen von Ekkehard, unserem Projektkoordinator und Ansprechpartner für alle Belange, abgeholt.
Er fuhr mit uns zum Hostal Corona Real, in welchem wir während unserer Zeit in Sucre untergebracht werden sollten. Hier hatten wir einen einfachen Luxus, den man nach einiger Zeit in Bolivien zu schätzen weiß: Als Volontär teilt man sich ein Zweibettzimmer und nutzt ein Gemeinschaftsbad, hat aber den Vorteil, dass man sowohl mit seinem eigenen als auch mit dem anderen Team im selben Hostal ist und abends gemeinsame Unternehmungen planen kann.
Das Corona Real befindet sich am „Terminal de Buses“, einem sehr belebten, zentralen und teilweise auch ziemlich lauten Standort – mit guten Ohrstöpseln sollte man aber auch die lauteste Nacht überstehen können. Der Vorteil ist, dass man alle Orte gut erreichen kann: Den Mercado Campesino fußläufig in etwa 10 Minuten, den zentralen Platz von Sucre in ca. 30 Minuten.
Kleiner Tipp für die Fußfaulen: Mit dem Taxi fährt man tagsüber für 5 Bs pro Person innerhalb der Stadt, abends etwas teurer (wobei die Taxifahrer auch mit sich handeln lassen, man also teilweise sogar günstiger fahren kann!). Die Trufis, Stadtbusse innerhalb Sucres, kosten sogar nur 1,50 Bs pro Person – hierfür sollte man allerdings die verschiedenen Buslinien kennen. (1 Boliviano (Bs) = 0,12 €)
Nachdem wir unser Reisegepäck abgelegt hatten, führte Ekkehard uns ins Hostelling International, kurz HI, wo sich das Lager des FCSM befindet. Hier trifft man sich morgens auch zum Frühstück, bevor es zur Behandlung geht. Nach einer Einweisung von Ekkehard, welche Instrumente zur Verfügung stehen, wie der pflegliche Umgang mit der Einheit abläuft, wie der Stuhl aufzubauen ist etc. waren wir vorbereitet und freuten uns schon auf den Beginn der Behandlungen.
Als letzte Projektvorbereitung schickte Ekkehard uns noch zum Mobilfunkanbieter „Entel“, wo wir uns eine SIM-Karte besorgen sollten. Handys von Ausländern müssen direkt bei der Hauptgeschäftsstelle registriert werden, dafür benötigt man seinen Reisepass. Achtet unbedingt auf die Öffnungszeiten von „Entel“, gerade am Wochenende haben sie nicht wirklich lange geöffnet (am Samstag bis 13:30Uhr, am Sonntag komplett geschlossen). Im Idealfall besorgt man sich schon bei der Ankunft am Flughafen in Santa Cruz eine SIM-Card.
Unser Projekt in Zudáñez an der Grundschule:
In Zudáñez waren wir in einem Haus der Organisation Fe y Alegría untergebracht, die viele verschiedene Projekte in mehreren südamerikanischen Ländern, darunter auch Bolivien, betreut. Auch die Schule, in der wir arbeiteten, wird von dieser Organisation gefördert.
Unsere Unterkunft war einfach, reichte unseren Bedürfnissen aber völlig. Sogar eine kleine Küche mit Gasherd war vorhanden, wo man abends kochen konnte. Im Dorf selbst gab es diverse Einkaufsmöglichkeiten: Obst und Gemüse konnte man beim kleinen Mercado kaufen, alles andere gab es in kleinen Supermärkten entlang der Hauptstraße.
Im Hinblick auf verschiedene Unternehmungen war es sinnvoll, am Wochenende zurück nach Sucre zu fahren – von Zudáñez aus waren diese schwieriger zu beginnen. Von Sucre nach Zudáñez kommt man innerhalb von etwas über 2 Stunden mit dem Trufi, pro Person zahlt man dafür 15 Bs.
Ein paar Worte zur Behandlung:
Zusammen mit unseren Zahnärzten Nathalie und Patrick hatten wir während der Behandlung alle Hände voll zu tun. Zähne mussten gefüllt und leider auch viel zu oft extrahiert werden… Gerade bei den jüngsten Patienten mit 5-6 Jahren keine Freude!
Die Behandlungen an unseren beiden Standorten begannen stets zögerlich, da sich nur wenige Kinder trauten, zu uns zu kommen. Zum Ende unserer Einsatzzeit hingegen wurde uns schon fast die Tür eingelaufen. Im Fokus stand bei uns auch die Mundhygiene-Instruktion, da diese aus präventiver Sicht natürlich besonders wichtig war. Nur hierdurch hatten wir die Chance, langfristig etwas am Verhalten der Kinder zu ändern. Viele weitere Informationen zu den Behandlungen findet ihr in den Erfahrungsberichten anderer Volontäre, daher sei auf diese verwiesen.
Unternehmungen in Bolivien:
An den Wochenenden und wahlweise vor oder nach dem Projekt sollte man sich die Zeit nehmen, das Land Bolivien zu entdecken. Inlandsflüge innerhalb Boliviens sind für deutsche Verhältnisse sehr günstig. Wer noch günstiger von Stadt zu Stadt kommen möchte, kann auf die gemütlichen Nachtbusse zurückgreifen. Aber auch in Sucre selbst gibt es viel zu erleben und zu entdecken. Eine kleine Auswahl, was wir erlebt haben, möchte ich euch gerne auflisten!
Sucre: In Sucre ist die „Plaza 25 de Mayo“ (oder kurz „Plaza“) zentraler Anlaufpunkt der Stadt. Direkt an der Plaza finden sich viele Restaurants und Cafés, die zum Verweilen einladen. Auch finden sich um die Plaza herum viele Agenturen, die verschiedene Touren (z.B. zum Maraguas-Krater) anbieten. Ein gutes und günstiges Non-Profit Café, wo man die besagte Tour buchen kann, ist das „Condor-Cafe“.
- An der Plaza befindet sich auch die Casa de la Libertad, die man sich unbedingt anschauen sollte, wenn man etwas zur Geschichte von Bolivien erfahren möchte. Hier werden englische und spanische Touren angeboten.
- In der Nähe der Plaza befindet sich das Kloster „San Felipe Neri“. Besonders nachmittags und abends ist diese ein Ruhepol inmitten der Stadt, den man sich nicht entgehen lassen sollte.
- Auch sollte man den Mirador „La Recoleta“ besuchen, einen Aussichtspunkt, von dem man einen tollen Blick über das Stadtzentrum hat.
- Wer gerne feiern gehen möchte: Dafür bietet sich das „Kultur Berlin“ an, ein Hostel, Restaurant und abends eben auch Partylocation.
- Unbedingt sollte man den „Mercado Campesino“ besuchen, einen Bauernmarkt, der mit seinen Gerüchen, Menschen und Eindrücken überwältigt!
- Etwas abseits des Zentrums kann man den „Parque Cretácico“ mit den dort zu sehenden Dinosaurierspuren besuchen.
- Besonders die „Entrada“ ist einen Besuch wert. Wer das Glück hat, im September in Sucre zu sein, sollte diese Tanz- und Musikveranstaltung nicht verpassen!
Maraguas: Besonders die Wanderer unter euch werden diese zweitägige Tour lieben (die man gut in ein Wochenende einbringen kann!).
- Man wird von der Touragentur zu einem alten Inkatrail gefahren und wandert von dort aus zum kleinen Dorf Maraguas – bergab und bergauf gibt es dort wunderschöne Landschaften zu bewundern!
Potosí: Hier sollte man sich die „Casa de la Moneda“ ansehen, ein Museum, in dem einem die Geschichte des bolivianischen Währungssystems näher gebracht wird.
- Ein Muss in Potosi ist eine Tour in einer Silbermine, wo einem der Bergbau und das Leben der Minenarbeiter auf eindrückliche und erschütternde Weise näher gebracht werden.
- Landschaftlich wunderschön ist das Ojo del Inca, welches gut von Potosí aus zu erreichen ist.
Tarabuco: Auch den Markt von Tarabuco sollte man sich nicht entgehen lassen. Alle nötigen Mitbringsel für die Daheimgebliebenen kann man hier günstiger als in Sucre finden.
Uyuni: Habt ihr etwas mehr Zeit mitgebracht, dann solltet ihr euch auf jeden Fall die dreitägige Tour in die Salzwüste „Salar de Uyuni“ einplanen. Die schönsten Landschaften in ganz Bolivien findet ihr hier, Touranbieter findet man zur Genüge (wir haben sehr kurzfristig vor der Tour bei „Salty Desert Adventours“ gebucht).
La Paz: Über diese riesige Stadt sollte man unbedingt mit der „Teleférico“, der Gondelbahn, fahren.
- Auch bietet sich die eintägige Mountainbike-Tour entlang der „Death Road“ an. Lasst euch nicht vom Namen täuschen: Mit einer guten Organisation und umsichtigen Guides ist diese Tour vollkommen ungefährlich (Mit der Agentur „Madness“ haben wir gute Erfahrungen gemacht!).
Abschließend…
… möchte ich mich bei allen meinen Mitfamulanten und Zahnärzten bedanken, die diese Reise zu einem unvergesslichen Ereignis gemacht haben und mit denen ich unglaublich viel erleben durfte – egal ob bei der Behandlung oder bei den Ausflügen, die wir gemeinsam unternahmen, wir hatten immer Spaß.
Auch der Fe y Alegria vielen Dank dafür, dass sie ihre Unterkunft mit uns geteilt haben und uns an den jeweiligen Standorten unterstützt haben. Viele Vorschläge für lokale Unternehmungen und besonders schöne Orte bekamen wir ebenfalls von deren Mitgliedern.
Ganz besonders möchte ich mich natürlich beim FCSM und vor allem bei Ekkehard bedanken, die uns diese Famulatur erst ermöglicht haben und uns mit Rat und Tat zur Seite standen – sowohl in der Vorbereitungsphase als auch direkt vor Ort.
Diese unglaubliche Erfahrung der Famulatur sei jedem ans Herz gelegt, der mit dem Gedanken spielt oder sich schon entschieden hat.
Nawid Gulidjan