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Reese, Lena

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Bolivia movil (Sucre, Tarabuco) Februar/März 2015
Frühjahr 2014, am Telefon ist Ekkehard und verkündet mir, dass ich den Platz in Bolivien im Projekt „El Villar“ im Februar und März 2015 belegen darf. Ich freue mich riesig, denn schon einige Monate zuvor habe ich den FCSM auf dem Zahnärztetag in Frankfurt kennengelernt und seitdem gehofft, an einem Projekt teilnehmen zu dürfen. 
In den nächsten Wochen und Monaten bereitete ich mich zusammen mit meiner Freundin und Kommilitonin Karo, die ebenfalls dabei sein wird, auf den Einsatz vor. Wir setzten uns mit Maxi in Kontakt, die schon 2 Jahre zuvor in Bolivien am selben Projekt teilgenommen hatte. Sie war eine große Hilfe und blieb auch während des ganzen Einsatzes unser „interner Guide“. (Danke Maxi, für all deine Geduld, selbst während deiner Examensprüfungen!;))
Wir beschloßen, dass wir unsere ganzen Semesterferien nutzen wollen, um möglichst viel Zeit in Bolivien zu verbringen. Somit legten wir alle unsere Pflichtpraktika und Veranstaltungen in das reguläre Semester und an den „Rand“ der Semesterferien und buchten den Flug über ein Reisebüro (für 1100 Euro, Amsterdam-Santa Cruz/La Paz, über Madrid, ca. 3 Monate vorher). Wir beantragten neue Reisepässe, liessen uns impfen (Tollwut 3x, Meningitis, Gelbfieber), sammelten Spenden, kauften die nötigen Utensilien und planten unsere erste Urlaubswoche über Max Steiner.
Wir reisten mit je einem Koffer voller Zahnbürsten/Zahnpasten und Arbeitsutensilien, einem Backpack- und einem kleinen Rucksack als Handgepäck.
Ankunft und 1. Reisewoche (Santa Cruz, Sucre, Potosí, Uyuni-Tour)
Am 14.02.2015 geht es dann endlich los. Nach ca. 24 Std. Reise, kommen wir in Santa Cruz an. Hier ist es richtig warm und wir wechseln bei Ankunft im Hostelling International Hostal (Hostalkette/Tourenanbieter geführt von Max Steiner und Partner vom FCSM) erst einmal in unsere kurzen Klamotten.
Wir beschließen Geld abzuheben, was nach mehreren kläglichen Versuchen nur an der „ Banco Mercantil Santa Cruz“ gelingt (Sparkassen-Karte). Abends feiern wir mit den anwesenden Voluntarios Karneval in der Stadt, was in wochenanhaltenden Farbflecken auf der Haut und ganz viel Spaß endet.
Am nächsten Morgen verlassen wir das wirklich komfortable Hostal in Santa Cruz und fliegen nach Sucre. Hier verbringen wir zwei wunderschöne Tage mit Standrundfahrt und Karneval, abwechselnd in Begleitung von Arturo und den deutschen Voluntarios, die im HI-Hostal in Sucre leben.
Am nächsten Tag startet die Salz- und Silbertour (organisiert durch HI und Max Steiner und sehr zu empfehlen), von der wir erst Sonntag-Nacht zurückkehren.
1. Arbeitswoche in Llinfi
Montag morgen treffen wir Ekkehard und Maxi im Hostal. Don Arturo bringt uns mit seinem Auto und all dem Equipment zu unserem ersten Einsatzort, einer Schule im Norden von Sucre. Dort werden wir sehr herzlich empfangen.
Wir belegen ein altes, etwas ramponiertes, Klassenzimmer im Erdgeschoss und legen sofort los: Füllungen, Extraktionen, Reinigungen. Unsere Hilfe wird hier dringend benötigt. Nach Schulschluss  behandeln wir auch die Bewohner des Dorfes, die meist schon morgens vor dem Raum warten.
Die Kinder sind recht schüchtern und ängstlich und deswegen hören wir selten ein „Danke“. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass wir vielen Leuten dort helfen konnten und sie auch dankbar dafür waren.
An drei Tagen fällt der Strom aus und wir können für einige Stunden nur Extraktionen vornehmen. Zur Hilfe haben wir einen Voluntario, Paul, der an der Schule als Lehrer arbeitet und diese Woche Listen schreibt und die Patienten koordiniert.
Mittags werden wir von einer sehr guten Köchin mit Suppe und einer Hauptmahlzeit versorgt.
Am Freitagabend lädt Ekkehard uns und die Familie von Don Arturo zum Essen ein. Es wird ein sehr schöner Abend.
Samstags erreicht uns dann auch endlich Anna. Zusammen verbringen wir einen gemütlichen Tag in der Stadt. In einem Fair-Trade-Laden schlagen unsere Textilherzen höher;).
Am Sonntag, nach einem leckeren Saltenaessen in der Stadt, fahren wir mit Ekkehard und einem nur für uns und unser Equipment gemieteten Trufi (Kleinbus) nach Tarabuco.
Auch hier kommen wir in einem HI-Hostal unter. Nach dem Aufbauen in einem der Außenräume des Hostels, verabschiedet sich Ekkehard. Wir stöbern noch etwas auf dem interessanten Sonntagsmarkt von Tarabuco.
2. und 3. Arbeitswochen in Tarabuco
Die Wochen verlaufen ohne große Besonderheiten. Am Anfang herrscht seitens der Hostalverwaltung ein wenig Skepsis, da es ihrerseits Probleme mit unseren Vorgängern gab. Hier helfen unsere Spanischkenntnisse eindeutig weiter. Jedoch merken wir innerhalb der zwei Wochen auch, was für einen Luxus wir im Hostal in Sucre hatten. Die allgemeine Stimmung seitens der Hostalbewohner/-besitzer/-köchin ist einfach nicht die beste. Wir müssen oft Wasser pumpen, um überhaupt alle zwei Tage duschen zu können. Trotzdem haben wir eine schöne Zeit in Tarabuco mit einigen netten Gesprächen und neuen Erfahrungen.
Aber jetzt zu dem wichtigeren Part: Unsere Anwesenheit wird seitens des Hospitals nicht nennenswert unterstützt und unserem Gefühl nach auch nicht gewünscht. Das durch Arturo organisierte Treffen am Montag mit den Verantwortlichen des Hospitals verläuft eher unbefriedigend. Angeblich wüsste man nichts von unserem geplanten Aufenthalt usw.…
Wir erhalten hier keine große Unterstützung und Verständnis und beschließen somit, die ganzen zwei Wochen im Hostel in Tarabuco zu bleiben. Das kommt uns ganz recht, da wir somit nicht viel Zeit für das Umbauen des Equipments verbrauchen.
Wir malen Plakate und verteilen sie im Ort. Trotzdem laufen die ersten Tage etwas zäh an und morgens werden wir fast durchgehend (im Gegensatz zu Llinfi) eher weniger Patienten behandeln. Nachmittags und vor allem gegen Ende der zwei Wochen brummt der Laden dann aber doch noch. Ein wunderschönes Wochenende verbringen wir in „El Villar“ (Oneway ca. 5 Std.), das andere in Tarabuco mit dem traditionellen „Pujllay-Fest“ zu dem auch sehr viele  Voluntarios aus Sucre und Umgebung anreisen. Es herrschen fast Festivalbedingungen.
4. Arbeitswoche in Llinfi
Da so viele Leute Arturo kontaktiert haben, machen wir uns noch einmal auf den Weg nach Llinfi. Hier ist alles wie zuvor. Wir werden wieder von der gleichen Köchin wunderbar umsorgt und werden sogar in das Haus der Familie für ein Mittagessen eingeladen.
Der Ansturm in dieser Woche ist jedoch vor allem nachmittags nach Schulschluss nicht mehr all zu groß. Eine Woche hätte hier vielleicht auch genügt, obwohl wir längst nicht alle Kinder durchsaniert haben. Hier fehlt oft die Eigeninitiative.
Am Ende der Woche bittet Don Arturo uns, in Zukunft mehr auf den Zustand unserer Arbeitsräume zu achten. Es solle seitens der Gastgeber, seinerseits und auch unserseits mehr Wert auf angemessene Behandlungsräumlichkeiten gelegt werden. Wenn wir diese nicht vorfinden, sollen wir dies fordern, um unsere guten Standards in Deutschland zu repräsentieren. Sicherlich ein guter Ansatz!
Auch unter der Woche gibt es hier in Sucre, im Gegensatz zu Tarabuco, viel zu unternehmen. Am Wochenende besuchen wir die Wasserfälle von Sucre und verbringen Zeit in der Stadt.

5. Arbeitswoche in 2 Kinderheimen in Sucre
In unseren letzten Arbeitswoche sind wir zwei Tage im „Hogar Nazareth“ und drei Tage im „Calor de Hogar“.
Im ersten Heim wohnen nur Jungen und hier gibt es auch eine Behandlungseinheit, die jedoch nicht gut in Schuss ist.
Nachdem wir den ersten halben Tag auf den Zahnarzt für die Schlüsselübergabe warten, hinterlässt er uns den Behandlungsraum in einem nach deutschen Standards nicht zu akzeptierenden Zustand. Wir putzen erst mal, aber auch danach gibt es Probleme mit den Turbinen und der Wasserkühlung.
Im Hogar wohnen nur sieben Jungen und einige sind zu ängstlich, um sich behandeln zu lassen, aber zusammen üben wir Zähneputzen und man merkt, dass sich die Jungs über die Aufmerksamkeit freuen, die ihnen zuteil wird. In der restlichen Zeit behandeln wir einige Gefängnisinsassen von nebenan und lesen auch einige Zeit in unseren Büchern.
Die letzten drei Tage sind wir in einem Mädchenheim. Hier ist die Organisation schon besser und wir haben auch mehr zu tun, vor allem nachmittags wenn die Mädchen nicht in der Schule sind. Aber auch morgens behandeln wir einige Mädchen aus einem anderen Heim. Insgesamt sind die Mädchen sehr ängstlich, und es braucht viel Geduld und gutes Zureden, aber auch hier wird unsere Hilfe benötigt. Die Behandlungszeit in Bolivien endet für uns im „Calor de Hogar“ mit einem sehr zufriedenen Gefühl.
In dieser Woche katalogisieren wir außerdem alle Sachen und bereiten unsere Abreise vor.
2. Reisewoche (Titicacasee, La Paz)
In der nächsten Woche genießen wir unsere freie Zeit in Bolivien noch mal so richtig! Da am Sonntag gewählt wird, verbringen wir das Wochenende auf der Isla del Sol. Dann kehren wir nach La Paz zurück, besuchen die Präinkastätte Tiwanaku, fahren die Deathroad runter und verbringen einige schöne Stunden in La Paz.
Am Osterwochenende ist es nach den sieben Wochen wirklich schön, nach Hause zu kommen, vor allem, da ich das Gefühl habe, eine wunderbare Erfahrung gemacht zu haben.
Fazit:
Für Naturliebhaber ist Bolivien mit seiner grandiosen Weite ein wunderbares Land, das es Wert ist zu bereisen.
Als Studentin konnte ich, gerade was das Praktizieren anbelangt, eine ganze Menge lernen. Wir waren ein wirklich tolles Team und es hat Spaß gemacht, ein Teil davon zu sein. Außerdem haben  wir einen interessanten Einblick in das Land und das Leben der Bevölkerung erhascht.
Allerdings darf man nicht zu viel „offensichtliche Dankbarkeit“ erwarten: Wenn man nur eine Zahnbürste verschenkt, erntet man als Reaktion teils das Verlangen nach einer weiteren oder nach einer Zahnpasta. Angesicht der großen Armut scheint mir das aber auch verständlich. Trotzdem muss man sich ab und zu daran erinnern.
Das Land und die Leute sind so unterschiedlich zu dem, was ich zuvor kennengelernt habe, und mit meinem europäischen Hintergrund habe ich in der Zeit oft gestaunt, manchmal in negativer aber meist in positiver Hinsicht, da man so viel daraus ziehen kann.
Ein wunderbares Erlebnis, eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte!
Lena Reese

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