Schnabel, Michael 2023
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Huancarani, 09. Januar + 03. Februar 2023
Huancarani, die Zweite!
Ja, ich bin wiedergekommen nach Bolivien.
In diesem Erfahrungsbericht möchte ich weniger über das Drumherum
schreiben, vielmehr über meine eigentliche Bestimmung als Zahntechniker, über
das Labor, seine Einrichtung und Bestückung berichten.
Das Labor befindet sich im 1.Stock über dem Consultorio und ist mit ca. 10
qm nicht sehr groß. Es hat über fast die Hälfte der Wandfläche eine
durchgehende Arbeits- und Abstellplatte mit zwei Waschbecken. Dazwischen steht
ein Trimmer neuester Bauart mit Wasseranschluss und Abfluss ins Gipsbecken, das
mit einem Abscheider im Unterschrank verbunden ist. Dieser sollte alle paar
Wochen mal sauber gemacht werden. Der Gipsschlamm wird in der Regel
hinten im Garten vergraben (ist ja auch nichts Gefährliches drin).
Daran anschließend befindet sich der Dampfstrahler mit einem aus Edelstahl
gefertigten Auffangbehälter für abgesprühte Wachsreste. Selbiger ist etwas
schwierig zu reinigen. Am besten entfernt man das Grobe gründlich mit einer
Spachtel, den Rest mit kochendem Wasser aus dem Wasserkocher, der direkt
daneben steht, mit einer Bürste so gut wie's geht. Der Dampfer sollte jeden
Abend ausgeschaltet und morgens wieder befüllt werden, sodass man sicher
sein kann, dass er den ganzen Tag "unter Dampf steht".
Dieses Jahr habe ich einen ganz neuen Drucktopf mitbringen dürfen, hab ihn
schon vielfach ausprobiert, funktioniert einwandfrei! Man sollte nur drauf
achten, dass immer warmes Wasser verfügbar ist, da er keine Heizfunktion
besitzt. (Anm. d. Red.: Inzwischen steht auch ein automatisch arbeitender
Drucktopf mit Heizfunktion daneben, gebraucht, aber funktionstüchtig)
Ein Lichthärtegerät für Löffel, Biss- und Aufstellbasen schließt sich
an. Es hat aber nur eine geringe Einschubhöhe, sodass manche Modelle mit
Sockel nicht reinpassen, aber wenn man Glück hat und die Sonne scheint, stelle man
sein Objekt mal eben vor die Tür und in wenigen Minuten ist der Kunststoff hart.
Das Ultraschallgerät und ein neuer Poliermotor machen den Abschluss auf der
Tischplatte. Links daneben ein Kühlschrank, der hauptsächlich mit den
verschiedensten Metacrylaten befüllt ist. In den warmen Monaten (also, wenn bei
uns Winter ist) empfiehlt es sich, seine Fläschchen dort zu verwahren, denn bei
30 Grad zieht das Zeug verdammt schnell an, aber das weiß man ja.
Gegenüber befinden sich zwei Arbeitsplätze mit Bohrmaschine, Bunsenbrenner
und Absauganlage. Leider keine Schmutzlade aber ein Mülleimerchen unterm Tisch
erfüllt denselben Zweck. Zudem gibt's noch einen großen Mülleimer für Gipsreste
und weiteren Abfall.
An Werkzeug ist eigentlich alles vorhanden, was man zur Herstellung von
Placas braucht. Dass man seine persönlichen Werkzeuge und Hilfsmittel, an
die man gewöhnt ist, mitbringt, sollte selbstverständlich sein. Ich
habe diesmal meinen Artex mitgebracht, mit dem ich gerne gearbeitet habe,
obwohl etliche Artikulatoren vorhanden sind. Meine mitgebrachten
Splitcastplatten waren in der ersten Woche sehr schnell aufgebraucht, also
gegebenenfalls ausreichend Teile mitbringen.
Nun zur Arbeit selbst: Die Aufgaben des Zahntechnikers hier beschränken
sich ausschließlich auf die Herstellung von Placas (das sind einfache
Kunststoffprothesen mit gebogenen Klammern), Totalprothesen und Reparaturen
oder Unterfütterungen. Das hört sich im ersten Moment relativ unspektakulär an,
ist aber in vielen Fällen sehr anspruchsvoll, da häufig Prothesen gegeneinander
mit oft wenig Restzähnen und schwierigen Bissverhältnissen herzustellen sind.
Bei den Halteelementen im Seitenzahngebiet sollten Klammern mit Auflagen
gebogen werden, um vorzeitiges Absinken zu vermeiden. Nach einer Woche hat der
geübte Zahntechniker das schnell heraus.
Ein Problem ist oft die Auswahl der Zähne. Es sind zwar genügend Garnituren
vorhanden, Farben wie A3 oder A3,5 sind schon ziemlich ausgelesen. Aber die
exakten Farben sind nicht das Wichtigste
in Bolivien.
Ein grosser Vorteil ist, dass man, ähnlich wie in einem Praxislabor,
schnell mal ins Sprechzimmer gerufen wird, um bestimmte Situationen direkt am
Patienten zu besprochen werden können.
Am Ende seiner Einsatzzeit sollte das Labor gründlich gesäubert und
gepflegt werden. Man ist selbst ja nur ein paar Wochen hier, und unsere
Nachfolger sollen sich problemlos an ihren neuen Arbeitsplatz zurechtfinden.
Das Zusammenleben mit den anderen Voluntarios, die mit ähnlicher
Motivation hierher gekommen sind, den Menschen, die hier arbeiten und
leben oder die man nur mal eben auf den Straßen trifft und ihnen ein
freundliches „buen día“ oder „buenas tardes“ entgegen bringt, war für
mich wieder das Salz in der Suppe oder das Sahnehäubchen oben drauf. Mein ganz
besonderer Dank geht an meine Mitstreiter Svenja, Julia, Ralf und Werner: Ihr
ward einfach toll!
Ein Ausflug zum Salar de Uyuni war zwar ein Highlight, dass ich nicht
vergessen werde, aber die Landschaft in der direkten Umgebung Huancarani´s hat
für mich einen ganz besonderen Reiz und ruft mich auf, sie noch intensiver
zu erforschen, zu erleben. Dazu muss ich unbedingt nochmal vorbeikommen….
Michael Schnabel ZTM