Merle, Cordula
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Huancarani, 08.01.- 16.02.2018
Nach meinem
Examen im Herbst bin ich am 4. Januar zu meiner Famulatur nach Bolivien
aufgebrochen. Den Flug hatten wir etwa ein halbes Jahr vorher über KLM bis nach
Santa Cruz gebucht und über BOA dann den Flug bis nach Cochabamba. Nach einem
Sprint in Amsterdam (eine halbe Stunde Umsteigezeit war doch sehr knapp) traf
ich Siegbert beim Boarding. Mit Siegbert hatte ich einen „alten Hasen“ dabei: nicht
nur einen erfahrenen Zahnarzt, sondern auch bereits zum dritten Mal in
Huancarani. Für mich Frischling der ideale Kollege 😉
Am Freitag
kamen wir dann nach der langen Reise schließlich in Cochabamba an und trafen
dort Werner, der aus Guadalupe anreiste. Meine Ankunft wurde leider etwas
überschattet: mein Koffer war nicht mitangekommen. Glücklicherweise konnte ich
mir von den Mädels aus der Pirwa etwas leihen. Ein weiteres Problem: Ich
erhielt mit meiner Kreditkarte (DKB) an vielen Automaten kein Geld, die Karte
konnte nicht gelesen werden. Falls jemand dasselbe Problem haben sollte: die
Banco Ganadero in Quillacollo hat schließlich funktioniert.
Vorort wurden
wir sehr herzlich von der Familie von Doña
Adela begrüßt, die sich besonders über Siegberts Rückkehr sichtlich freute.
Das gemeinsame
Essen und Austauschen war immer sehr nett, auch wenn die Qualität des Essens
schwankte und z.T. recht suppenlastig und kohlenhydratreich (gerne Reis und
Kartoffeln) war (es gab allerdings auch sehr leckere Gerichte und sie hat sich
Mühe gegeben, unseren Wunsch nach mehr Gemüse umzusetzen). Am besten man geht
einfach immer selbst mit in die Küche und sagt, wie viel man wovon haben
möchte. Die Familie war grundsätzlich sehr herzlich zu uns. Die Söhne fahren
einen gegen das Taxigeld auch gerne mit dem Auto umher und waren hierbei sehr
zuverlässig.
Die Wohnung
bietet einem ein gemütliches Zuhause für die Zeit, normalerweise mit eigenem
Zimmer für jeden. Leider waren wir bei unserer Ankunft erstmal etwas mit Putzen
beschäftigt und es fehlte an sehr vielen Dingen. Einiges tauchte in der Wohnung
gegenüber wieder auf, einiges ist neu besorgt worden, sodass nun wieder
ausreichend Gläser und Co. vorhanden sein sollten. Etwas schade war, dass bei
der ab jetzt wünschenswerten Belegung mit vier Leuten (zwei Zahnärzten,
Zahntechniker und Dentalhygienikerin) nicht alle oder nur sehr beengt in dieser
Wohnung zusammenleben können – vielleicht kann dies für die Zukunft noch
verändert werden. Ansonsten der Hinweis, dass das warme Wasser nur durch die
Sonne erwärmt wird und so häufig nur abends ein warmes Duschen möglich ist.
Durch die Fliegengitter an allen Fenstern ist bei entsprechender Disziplin mit
den Türen eine ziemliche Fliegen- und Moskitofreiheit in der Wohnung gewährt.
WLAN ist hingegen in näherer Zukunft nicht zu erwarten. Die Verbindung über das
Handynetz ist aber wirklich sehr gut und ermöglicht auch problemlos Telefonate
über das Internet (Sim-Karten gibt es in Quillacollo zu kaufen, z.B. Entel war
gut, Pass dafür mitnehmen, Karten zum Geld aufladen können überall,
beispielsweise auch bei Doña
Petri gekauft werden). Wer mal einen Computer benötigt, findet auch zwei
Internet-Cafés im Dorf (nahe der Straße vorn). Das von der Praxis kommend
zweite war ruhiger, funktionierte zuverlässig und öffnete auf klingeln hin
immer.
Das erste
Wochenende verbrachten wir dann damit, die Praxis auf Vordermann zu bringen,
uns zu orientieren und eine Bestandsaufnahme über die Materialien zu machen. Hier
sollte in Zukunft den letzten im Jahr noch einmal gesondert der Hinweis
erreichen, dass nach ihnen eine längere Pause erfolgt, sodass in Zukunft
eingetrocknete Entwicklerflüssigkeiten und Co. vermieden werden. Außerdem darf
der Kühlschrank nicht zu kalt gestellt werden: einige Komposit-Kartuschen waren
an der Rückwand festgefroren und in ihrer Konsistenz dann auch nicht mehr wie
gewünscht. Schließlich funktionierte dann selbst die Absaugung nach einer
gründlichen Reinigung wieder einwandfrei, sodass wir Montagnachmittag wie
geplant starten konnten. Die Arbeitszeiten sind abends auf bis 18 Uhr verkürzt
worden, was uns allen vielleicht auch etwas mehr Zeit für die Pflege der
Einheit gibt. Andererseits war dies notwendig, da die Praxis mittlerweile so
bekannt und gut besucht ist, dass kein Durchschnaufen zwischendurch mehr
möglich ist. Vom ersten Tag an war großer Andrang und an manchen Tagen konnten
wir gar nicht alle bewältigen, aber die Patienten sind geduldig und dankbar,
sodass die Stimmung vor dem Behandlungszimmer zum Glück in der Regel gut blieb.
Bis auf einen geplatzten Schlauch funktionierte alles gut. Aktuell ist der
reparierte Schlauch noch „in situ“, Ersatz ist in den Schubladen aber nun
vorhanden.
Der Computer mit
der Patientenverwaltungssoftware erleichtert die Arbeit sehr, da nun immer die
bisherige Behandlung nachvollziehbar ist. Ein großes Lob und Dankeschön an den
Enkel von Ekkehard für das Schreiben dieses Programms. Einziger
Veränderungswunsch für die nächste Version: die Vornamen sollten am besten auch
änderbar sein, da manchmal die Verständigung über die Schreibweise des Namens
doch schwierig ist und sich beim zweiten Besuch herausstellt, dass der Patient
zwar eigentlich bereits registriert ist, man ihn aber nicht auf Anhieb findet,
da der Vorname damals falsch geschrieben wurde. Vorerst empfehle ich für solche
Fälle den Patienten neu anzulegen, die Einträge zu übertragen und dies beim
ursprünglichen Eintrag entsprechend zu vermerken.
Wie gesagt, der
Patientenandrang war enorm. Da Schulferien waren, waren insbesondere sehr viele
Kinder da, aber es kamen auch viele Patienten für Prothesen, da nun wieder ein
Techniker da war. Wir haben wirklich unglaublich viel behandelt, von sehr
vielen Fissurenversiegelungen über Füllungen bis hin zu Extraktionen (vor allem
auch sehr vieler Wurzelreste). Danke an dieser Stelle an Siegbert für alles,
was er mir beigebracht hat! Die Patienten waren dabei fast immer sehr geduldig,
dankbar und falls mal Zeit für ein Schwätzchen war, auch sehr neugierig auf
uns.
Der neueingerichtete Prophylaxeraum ist eine tolle Möglichkeit, den Andrang besser bewältigen zu können und dem Prophylaxe- und Aufklärungsgedanken mehr Raum zu geben. Da die Zahnreinigungen erst nach Untersuchung durch den Zahnarzt begonnen werden können, kam es hier manchmal zu Leerlauf. Dieser kann beispielsweise genutzt werden, um mit wartenden Kindern Zähneputzen zu üben.
Der neueingerichtete Prophylaxeraum ist eine tolle Möglichkeit, den Andrang besser bewältigen zu können und dem Prophylaxe- und Aufklärungsgedanken mehr Raum zu geben. Da die Zahnreinigungen erst nach Untersuchung durch den Zahnarzt begonnen werden können, kam es hier manchmal zu Leerlauf. Dieser kann beispielsweise genutzt werden, um mit wartenden Kindern Zähneputzen zu üben.
Meine erste
Woche war ansonsten leider recht negativ von meinem Kofferproblem überschatten.
Nach unzähligen Telefonaten mit der Hotline und einiger Verzweiflung habe ich schließlich erfahren, dass mein
Koffer in Santa Cruz im Zoll festhängt. Die Koffer werden neuerdings in Santa
Cruz bei Ankunft alle durchleuchtet und entsprechend fallen die für den FCSM
mitgebrachten Materialien wie Winkelstücke natürlich auf. Es ist also auf jeden
Fall damit zu rechnen, dass der Koffer geöffnet werden muss. Normalerweise ist
das völlig unproblematisch, für mich bedeutete es allerdings leider, dass ich am
nächsten Wochenende persönlich zurück nach Santa Cruz reisen musste. Der Zoll
selbst war tatsächlich gar kein Problem: einmal öffnen und die zahnärztlichen
Instrumente auspacken und dazu das Zertifikat vom FCSM vorzeigen. Über Eltern
von Bekannten von Siegbert kam ich an diesem Wochenende dann aber noch in den
Genuss bolivianischer Gastfreundschaft: Schlafplatz, Stadtführung und vor allem
ganz viel Essen inklusive. Diese Gastfreundschaft wurde mir auch in Cochabamba
von Freunden von Freunden zu teil. Statt des von mir angedachten gemeinsamen
Kaffeetrinkens wurde gleich ein Familienausflug ins Grüne gemacht, inklusive
Bootsfahrt und Essen. Falls ihr also über ein paar Ecken Bekannte in Bolivien
habt, lohnt es sich Kontakt aufzunehmen 😉
Am Anfang haben wir leider außerdem alle
nacheinander eine schwere Erkältung durchgemacht, sodass wir in den ersten
Wochen nicht voll einsatzfähig waren. So war die Unternehmungslust auch
gedämpft und ich verbrachte zwei Wochenende in Huancarani, wobei Ausflüge nach
Cochabamba (und dort u.a. hoch zum Cristo), Quillacollo und Sipe Sipe trotzdem
für Abwechslung sorgten. Das Trufi-System ist wirklich faszinierend und
funktioniert (außer an Karneval) wirklich hervorragend. Die richtige Stelle zum
Aussteigen erlernt man aber am besten bei einer Fahrt mit einem Ortskundigem,
um sich dabei die Landmarken einzuprägen. In Quillacollo kann man (fast) alles
einkaufen (sogar laktosefreie Milch). An den Straßen sowie in der Markthalle
kriegt man Obst und Gemüse (himmlisch im deutschem Winter gab es hier Mango,
Papaya, Avocado … falls möglich unbedingt Chirimoya (die grüne) und Achachairú probieren) und in den umliegenden kleinen Läden bekommt man auch alles
andere, man muss sich nur manchmal etwas durchfragen. Die kleinen runden
Schafskäse, die manchmal mit an den Obstständen an der Straße verkauft werden,
sind auch sehr empfehlenswert. Und natürlich unbedingt Salteñas essen. Durch die Arbeit in der
Praxis bleibt den Zahnärzten allerdings eigentlich nur am Wochenende Zeit,
dorthin zu fahren, zumal wir im Dunklen nicht unterwegs sein wollten. Es gilt
also etwas auf Vorrat einzukaufen. In Huancarani gibt es aber auch zwei kleine Lebensmittelläden.
So bekommt man zum Beispiel Brot, Eier und Getränke bei Doña Petri.
An den weiteren Wochenenden haben wir Ausflüge
nach Sucre sowie nach Villa Tunari gemacht. Beides sehr empfehlenswert. Sucre
ist eine wirklich tolle Stadt, die etwas europäischer als Cochabamba einem
innerhalb von einem Wochenende einen erholsamen Kurzurlaub ermöglicht. Über Boa
gibt es billige Flüge, aber es fahren auch Busse. Nach Villa Tunari fahren
Busse und Trufis. Die Strecke selbst ist schon ein Erlebnis mit tollem
Ausblick. Der Sicherheit zuliebe sollte man aber die etwas langsameren Busse
wählen. Villa Tunari selbst ist keine schöne Stadt, aber von hieraus kann der
Anfang des Regenwaldes erkundet werden. Auch das ist an einem Wochenende gut zu
machen. Vorab sollte man unbedingt ein schönes Hotel buchen (z.B. El Mirador).
Der Parque Machía (direkt hinter der Brücke) ermöglicht schöne
Affenbeobachtungen und der Parque Carrasco (mit dem Taxi hinfahren lassen)
einen schönen geführten Spaziergang in den Regenwald.
Das Wetter war übrigens zunächst besser als ich
angesichts des Wortes Regenzeit erwartet hatte. So schien häufig die Sonne und
sorgte für „kurzes-Hosen-Wetter“ (Achtung in der Höhe (ca. 2800m) ist die Sonne
wirklich stark: immer Sonnencreme und Kopfbedeckung empfehlenswert). Es regnete
zunächst nur selten und nachts, gegen Februar fielen seit langen Jahren dann
jedoch wieder größere Mengen Niederschlag und es kam in der Umgebung teilweise
zu Überschwemmungen, im Projekt war dies zum Glück kein Problem.
Meine sechs Wochen gingen schnell rum. Für
Studenten und frisch Approbierte halte ich vier bis sechs Wochen Einsatzzeit
für empfehlenswert. Und anschließend am besten noch Reisezeit einplanen 😉. Einige Ausflüge lassen sich zwar auch noch am
Wochenende realisieren (z.B. Torrotorro oder die Death Road ab La Paz, aber die
Salar de Uyuni, der Titicaca-See und der Madidi Nationalpark sind besser danach
zu verwirklichen. Ich werde dafür wiederkommen, denn mich hat es diesmal zum
Reisen in den Norden nach Chile geführt (auch sehr empfehlenswert, direkte
Busverbindung von Cochabamba nach Arica).
Ich wünsche allen zukünftigen Voluntarios eine
ebenfalls so schöne Zeit.
Cordula Merle