Speidel-Schreiber2, Irene
Erfahrungsberichte > Archiv
Huancarani 17. Oktober - 04. November 2016
Irene Speidel- Schreiber
Unseren
dritten gemeinsamen Arbeits- Einsatz machten Jörg und ich in den vergangenen
Wochen in Huancarani, und wieder kommen wir mit einem vollen „Rucksack“ an
Eindrücken, Erfahrungen, Ideen, auch Bedenken und Sorgen nach Hause zurück.
War in
Guadalupe alles perfekt bezüglich Behandlungsmöglichkeiten, Unterbringung und
Verpflegung, so waren im Gegensatz dazu in Tarabuco und Sucre Improvisationtalent und Pioniergeist gefragt.
Diesmal erwartete uns ein ganz schlichtes friedliches, bolivianisches Umfeld.
Die „ ama de
casa“, Adela ist in der Tat eine gute Seele. Sie hat uns gerne und gut versorgt und
fühlte sich für unser Wohlergehen und den gesamten Ablauf mit verantwortlich;
bei Quetschua- Patienten hat sie immer gedolmetscht. Nett war, wie sie ganz offensichtlich
auch Freude an unserer Gesellschaft hatte.
Unser WG-Grüppchen und Arbeits-Team hat mir sehr gut gefallen, wir haben viel geratscht
und gelacht; ganz zwanglos hat sich jeder mal zurückgezogen, und sich dann auch
wieder dazugesellt.
Bei unserer
Ankunft stellte sich heraus, dass Franziska, die schon die vorherigen drei
Wochen behandelt hatte, die gesamte Zeit mit uns zusammen arbeiten wird. Das
hieß, unser Team bestand aus dem Techniker Jan, dem „Alt“-Zahnarzt Jörg, der
„Jung“-Zahnärztin Franziska und mir als Helferin. Positiv ausgedrückt, kann man sagen: wir waren
gut aufgestellt, realistischer ist: wir waren einer zu viel.
So einigten
wir uns darauf, dass ich nachmittags drei Stunden von 14.30 Uhr bis 17.30 Uhr
in der Kinderbetreuung des Kulturzentrums arbeitete, was mir als Pädagogin sehr
gelegen kam. Ich besprach mich mit Ronald und der Betreuerin Gina, die meine
Unterstützung gerne annahm. Ab 17.30 unterstützte ich dann die Zahnärzte bis
zum Praxisende.
In der
gemeinsamen Praxiszeit assistierte ich meist bei Franziska, und Franziska, wenn
Jörg behandelte. Während der Krankheitstage von Franziska assistierte ich auch
die gesamten Nachmittage. Gemeinsam
erledigten wir die Patienten-Aufnahme und -Verwaltung, machten den Sterilisator, sorgten für einen
reibungslosen Arbeitsablauf und
säuberten die Praxis.
Das Klientel
der Praxis ist sehr unterschiedlich. Die Aufklärung der Patienten war oft nicht
einfach, wir haben uns viel Zeit dafür gelassen. Während die Bewohner aus
Huancarani ausschließlich Quetschua sind, und oft sogar die geringen Kosten für
die Prothetik scheuen, kommen wohlhabendere Patienten aus einem Umkreis von ca.
30 km, sie haben auch Bedarf an Kronen und Brücken. Die kostenfreie Behandlung
von Kindern wird dankbar angenommen, ist aber nicht bekannt.
Der Andrang
für die Praxis war unterschiedlich: Meist warteten einige Patienten am Morgen und
Nachmittag bei Praxisbeginn, gegen Abend besonders nach Einbruch der Dunkelheit
kam niemand mehr.
In der Arbeit mit den Kindern machte ich an
zwei Nachmittagen eine Mundhygiene-Unterweisung. Für die Kleinen als Hand-Puppen-Spiel, für die Schüler mit Anschauungsmaterial und Gespräch. Wir
besuchten in Gruppen die Praxis, machten die Kinder mit Behandlungs-Abläufen
und Werkzeug bekannt, machten bei allen
eine Anamnese, gaben ihnen Handzettel für die Eltern mit, und betonten, dass bei
ihnen keine Behandlungskosten erhoben werden würden. Daraufhin kamen in den
folgenden Tagen etliche Kinder mit ihren Eltern zur Behandlung
Das Level
der Mundhygiene-Aufklärung ist erschreckend: Weniger als die Hälfte der Kinder
gaben an, eine Zahnbürste zu besitzen, kaum eines konnte die Zahnputz- Technik
am Modell vormachen.
Es ist jetzt
geplant, dass Gina nachmittags in der Einrichtung mit den Kindern die Zähne
putzt. Wir haben sie mit Zahnbürsten und Zahnpasta versorgt. Sie ist
zuversichtlich – alle Achtung, wie sie das als einzige Bezugsperson mit bis zu
45 Kindern und Jugendlichen zwischen 3 und 14 Jahren hinkriegt!
Die Nachmittage haben Gina und ich folgendermaßen
strukturiert: Ich gab auf den Wunsch der älteren Schüler täglich eine Einheit
Englischunterricht, machte mit allen Schülern Handarbeit- wobei viele der
Mädchen Häkeln lernten-, und regte in der letzten Nachmittagsphase Kreis- und
Bewegungs- Spiele an.
Nach drei
Wochen haben wir am Samstag, den 5. November Franzi verabschiedet (sie zog
Richtung la Paz weiter), haben Jan zurückgelassen, der wohl noch einige Wochen
die Stellung hält, und unsere Nachfolger begrüßt und eingewiesen. Über mehrere
Tage sind wir nach Santa Cruz gebummelt, haben die Huancarani- Wochen noch
nachwirken lassen, eh uns dann der Flieger ins Hier und Jetzt gebracht hat….und
noch scheint alles ein bisschen unwirklich.
Irene Speidel- Schreiber