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Erfahrungsberichte > Archiv
Huancarani, 02. Oktober bis 12. November 2019
 
Nun, solch ein Bericht kann sehr variabel ausfallen. Ich werde hier einen Überblick über die Themen geben, die mich selber im Vorfeld interessiert haben oder hätten.
 
Warum also Huancarani/ Bolivien?
 
Tatsächlich bringt der Standort Huancarani viele Vorteile. Cochabamba (nächstgelegene größere Stadt) ist nicht weit entfernt (ca. 45min). So hat man eine gute Anbindung zum Busterminal und Flughafen. Praktisch um am Wochenende das Land zu erkunden. Ich fand es toll einen festen Standort zu haben und eine kleine Praxis mit verhältnismäßig guter Ausstattung. Auch das System mit einem erfahreneren Zahnarzt zu arbeiten, aber auch schon selbstständig behandeln zu dürfen (als Vorbereitungsassistenz), gibt es nicht oft bei solchen Projekten. Man lernt so voneinander, und es ist spannend sich auszutauschen und gemeinsam durch den Behandlungsalltag zu schlagen (vor allem wenn das Spanisch doch etwas rudimentär ist). Durch die hervorragende Bewirtung Doña Adela´s, mittags und abends, kommt trotz Arbeit „Urlaubsfeeling“ auf.
 
Mir war es außerdem ein großes Anliegen, etwas „zurück zu geben“ und ein sinnvolles Projekt zu unterstützen.
 
Bolivien ist als Land sehr divers, so auch die Bevölkerung. In den Städten gibt es definitiv den „westlichen Lebensstandard“, diesen können sich aber die wenigsten im Land leisten. Mich hat überrascht wie viele Zahnärzte es doch gibt. Für die meisten Bolivianer allerdings völlig unerschwinglich.
 
Egal wie lange der Aufenthalt: den Salar de Uyuni sollte man als Reiseziel einplanen. Cochabamba dagegen fand ich nicht besonders sehenswert. La Paz und auch Sucre gefielen mir deutlich besser. Außerdem waren die Marktbesuche ein Highlight für mich.
 
Örtlichkeiten:
 
Huancarani liegt wie Cochabamba auf 2.700 m Höhe. Ich habe die Höhe am Beginn gemerkt. Dies ist aber individuell sehr unterschiedlich. Trotzdem würde ich raten, mindestens 2-3 Tage vor Einsatzbeginn anzureisen. Ein wenig Spanisch ist essenziell.
 
Die Betreuung vor Ort ist sehr gut. Angefangen bei der Abholung vom Flughafen. Ronald (Betreuer des Projektes vor Ort) und Thika (seine Frau und deutschsprachige Ansprechpartnerin) haben außerdem immer ein offenes Ohr für Wünsche und Probleme.
 
Die Familie, die dauerhaft in der Schul-/Praxisanlage lebt, ist sehr herzlich und Doña Adela kocht immer sehr lecker und recht gesund. Sie ist sehr stolz auf ihr Gemüse (selbst angebaut und bio). Bei ihr kann man auch bedenkenlos frischen Salat essen.
 
Die Wohnung ist sehr großzügig und bietet genügend Rückzugsmöglichkeiten aber auch einen großen Gemeinschaftsraum. Das Consultorio ist gut eingerichtet und die meisten Schubladen beschriftet. Trotzdem findet man ab und zu nochmal ein paar Überraschungen. Der Behandlungsstuhl hat seine Macken (da tropft es hier mal, da pfeift es da mal), aber alles in allem funktioniert er gut. Ein extra Stirnlicht (oder Lupenbrille) ist aber anzuraten, da die Lichtintensivität gerne schwankt.
 
Die Erfahrungen mit den Patienten sind sehr bereichernd. Quasi ein ganzes Kinderheim durchbehandelt zu haben, kann schließlich nicht jeder von sich sagen. Etwas exotische Kronen und Brückenversorgungen sind immer interessant (mit herzförmigen Aussparungen an den vestibulären Flächen als Schmuck). Oder einen 75-Jährigen als erster Zahnarzt behandeln zu dürfen, stellen nur einige der Erfahrungen dar.
 
Wie aus knapp 9 Wochen dann doch nur 6 wurden, Unruhen in Südamerika
 
Während meiner Zeit im Projekt habe ich Unruhen vor Ort erleben dürfen. Angefangen bei den Wahlen und nachfolgenden Wochen, den Straßenblockaden und tatsächlich der vorzeitigen Abreise aus dem Projekt.
 
Durch die Lage des Consultorios im Dorf gab es kaum merkliche Auswirkungen während der ersten 3 Wochen. Durch die Straßenblockaden dürften einige weit entfernt lebende Patienten Schwierigkeiten gehabt haben, zum Consultorio zu gelangen. Allerdings gibt es auch in der näheren Umgebung genügend Patienten, sodass dies nicht weiter auffiel. Das Patientenaufkommen variiert so oder so tagesabhängig (mir ist keine besondere Korrelation aufgefallen, außer das im Mittel am Wochenanfang mehr Patienten kamen).
 
Somit bekam man die ersten Wochen kaum etwas von den Unruhen mit, auch wenn es in benachbarten Gemeinden Aufstände und Demonstrationen gab. Nur die Nachrichten vermittelten einen ein ungefähres Bild (der Fernseher ist in Bolivien omnipräsent). Die Reisefreiheit war allerdings eingeschränkt. Wir haben es aber immer geschafft (wenn manchmal auch etwas abenteuerlich) zum Flughafen zu gelangen. Flüge gab es immer.
 
Ronald und Thika standen während der gesamten Zeit mit Rat und Übersetzung zur Seite. Auch stand ich in intensivem Kontakt zum Verein. Das aktuelle Geschehen verfolgten und evaluierten wir. Somit wurde dann auch entschieden, das Projekt kurze Zeit auszusetzen, und ich reiste vorzeitig Richtung Chile ab. Nicht zuletzt durch die gute Betreuung habe ich mich zu keiner Zeit wirklich unsicher gefühlt.
 
 
Zusammenfassend kann ich mich nur bedanken für die tolle Zeit, vor allem bei Ekkehard für die großartige Betreuung und seinen Einsatz für das Projekt.
 
Gerade für Jungzahnärzte, die auch etwas mehr Zeit mitbringen können, ist es ein bereicherndes (und im Verhältnis erschwingliches) Projekt.
 
Pia Winkel
Anm.d.Red.: Fotos kann man bei Eugen Petrow einsehen
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