Würzner, Julia 2
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Bolivia Movil – Arque – August 2016
Nachdem ich 2015 knapp drei Monate in Huancarani/Bolivien gearbeitet hatte und mit vielen positiven Eindrücken nach Deutschland zurück gekommen war, fiel bei mir schnell die Entscheidung, bald wieder als Volontärin ins Ausland zu gehen. Kurzum habe ich mich bereits zwei Monate nach meiner Rückkehr wieder bei Ekkehard gemeldet, um erneut für ein Projekt in Bolivien zu arbeiten. Da Ekkehard bei meinem letzten Aufenthalt ein neues mobiles Projekt im Chapare plante, entschied ich mich an diesem teilnehmen zu wollen. Leider konnte dieses Projekt im Sommer 2016 nicht erneut statt finden, stattdessen sollte das mobile Projekt in kleinen Bergdörfern im Departamento Cochabamba Internate betreuen.
Vorbereitend habe ich mein Spanisch weiter aufpoliert, die Flüge gebucht, Ekkehard´s Päckchen mit zahnärztlichen Materialien erwartet und meine Sachen gepackt. Dieses Mal bin ich mit Iberia und Latam über Madrid und Lima nach La Paz geflogen. Die aus allen Richtungen angesprochene Gefahr, dass die plötzliche Höhenumstellung (La Paz liegt auf 3200 – 4100 Höhenmetern) sicher schwer zu ertragen ist, kann ich nicht bestätigen. Bis auf die gelegentliche Atemlosigkeit, wenn man einen Anstieg wagt, kann ich über keinerlei körperlichen Beeinträchtigungen berichten.
In den ersten zwei Wochen in Bolivien habe ich gemeinsam mit Victoria, einer Freundin, die sich auch entschieden hatte, in Bolivien als Zahnärztin zu arbeiten, das Land bereist, vor allem der Lago Titicaca mit der Isla der Sol ist traumhaft und immer wieder eine Reise wert.
Anschließend haben wir uns auf den Weg nach Huancarani gemacht. Die ersten Tage haben wir unser Equipment für den mobilen Einsatz gepackt und ich habe meine Mitstreiterinnen, Iris und Marina kennengelernt. Wir sind am Wochenende der Fiesta de la Urkupiña in Quillacollo angekommen, ein mehrtägiges Fest, an dem kein Alltagsleben möglich ist, da ganz Bolivien sich die Seele in Quillacollo aus dem Leibe tanzt. Wir hatten also noch einige Tage in Huancarni, an denen uns Ekkehard auch etwas mehr über unseren Einsatzort erzählen konnte. Wir sollten nach Arque, einem Bergdorf ca. 2,5 Stunden von Huancarani entfernt, zwei katholische Internate mit 140 Kindern betreuen. Abgeholt wurden wir von Padre John aus Ghana, der uns (Iris, Marina, Ekkehard und mich) samt unserem Material nach Arque brachte. Arque soll ehemals die Hauptstadt des Departamentos Cochabamba gewesen sein. Darauf deutet heute nur noch die wunderschöne Plaza und das ehemalige Bahnhofsgebäude hin. Erreicht werden kann die Stadt jetzt nur noch über ein trockenes Flussbett oder bei Regen über enge Straßen, die sich an den Bergen entlangschlängeln.
Padre John hatte die bolivianische Gelassenheit schon gut übernommen, denn obwohl wir bereits auf Grund der Feierlichkeiten einen Arbeitstag verloren hatten, sollten wir erst einmal ganz in Ruhe in Arque ankommen, essen und die Gegend erkunden. Zum Glück wusste Ekkehard sich durchzusetzen, sodass uns zeitnah ein Raum im Hospital zugeteilt wurde. Das Krankenhaus wird derzeit umgebaut, wir hatten also zunächst kein Licht und Wasser, im Laufe meines Aufenthaltes bekamen wir zwar Licht, aber Wasser gab es bis zum Ende nicht. Wir konnten unseren Behandlungsraum einrichten, Ekkehard verabschieden und einen ruhigen Abend in Arque verbringen.
Julia - Padre Pablo - Marina - Padre John - Iris Julia & Anselm
Mit Padre John haben wir abgesprochen, dass wir jeden Tag etwa 16 Kinder behandeln wollen, 8 am Vormittag und 8 am Nachmittag. Da es vor Ort je ein Jungen- und ein Mädcheninternat gibt, haben wir jeden Tag abwechselnd Jungs oder Mädchen behandelt. Für die Mehrheit der Kinder war es sicherlich der erste Kontakt mit einem Zahnarzt, vielleicht sogar mit `Weißen`, dementsprechend schüchtern waren die meisten. Da wir zu dritt waren, hat eine Zahnärztin in der Regel die Zahnreinigung bei den Kindern durchgeführt, die anderen beiden haben anschließend mit der Befundaufnahme und Behandlung begonnen. Auf Grund unserer Ausstattung haben wir uns bei der Behandlung auf Fissurenversiegelungen, Füllungen und Extraktionen beschränkt. Bei nahezu allen Kindern, die wir untersuchen konnten, gab es behandlungsbedürftige Zähne. Obwohl die Kommunikation mit den Kindern manchmal etwas schwieriger war, waren alle im Großen und Ganzen wirklich beeindruckend tapfer. Auch bei Behandlungen, die länger dauerten, oder schwierigen Extraktionen haben alle sehr gut durchgehalten. Natürlich hatten wir auch die ein oder andere Panne, an zwei Tagen ging unsere mobile Einheit nicht. Beide Male hatten wir das Glück, dass Ekkehard mit dem Taxifahrer José aus Huancarani zu uns kommen und die Einheit repariert konnte. Am Ende hatte unsere Wasserflasche für die Kühlung ein Leck, aber Anselm (der später Marina ersetzt hat), hat diese jeden Abend mit Sekundenkleber behandelt, sodass sie wenigstens immer einen halben Tag durchgehalten hat.
Wir haben über 100 Kinder behandelt, aber es besteht auf jeden Fall noch großer Behandlungsbedarf in Arque, so dass ich hoffe, dass das Bolivia movil-Projekt dort erneut halt macht. Nicht nur die Schulkinder, sondern auch die im Ort lebenden Erwachsenen weisen großes Behandlungspotential auf, denn bis auf die Köchin des Mädcheninternats hatten wir nicht die Möglichkeiten, die anderen Erwachsenen aus dem Ort zu behandeln.
Die 3 Wochen im Bolivia movil-Projekt haben mir wieder gezeigt, was für einen großartigen Beruf ich gewählt habe. Wir können, mit mehr oder weniger Equipment auf der ganzen Welt arbeiten und den Menschen helfen. Ich hatte dieses Jahr 3 junge Kollegen (zuerst Marina und Iris, frisch approbiert und später Anselm, Student) an meiner Seite. Der kollegiale Austausch lief meines Erachtens nach sehr gut, und während ich meinen Bericht schreibe und durch die Fotos klicke denke ich einerseits an die Zeit in Bolivien zurück und plane andererseits gedanklich meinen nächsten Auslandseinsatz.
Julia Würzner.