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Buchhardt Jeanette

Erfahrungsberichte > Archiv
Huancarani, 01. - 21. Dezember 2021
Es ist sicherlich nicht treffend meine Zeit in Bolivien als wunderschön zu beschreiben, denn das ist für ein Land, was einem mit so viel Armut begegnet, sicherlich nicht angemessen Viel mehr war meine Zeit unglaublich intensiv und wertvoll.
Zum einen, weil ich als frische Absolventinnen einen ersten Einblick in das Zahnärzte Leben bekommen habe und dabei v iel Freude an meinem Beruf finden konnte, zum anderen da mich die
Begegnungen mit den Menschen und die Zusammenarbeit mit den anderen ZÄ:innen einen großen Schritt weiter im Leben gebracht haben.
Mit ZA Linus (mein Kommilitone aus Leipzig), Helfer Wilfred o (Sohn von Dona Adela), Doña Adela (Köchin und Herz des Hauses), ZÄ Elfriede, ZA Hans und später dann mit ZÄ Carolin habe ich in Huancarani gewohnt. Schnell fühlte ich mich als Teil des Ganzen. Nach einigen Erkundungstouren in der Umgebung des Hauses, habe ich den Ort kennengelernt und ein Gefühl für die Umgebung bekommen. Im Ort kann man kleine Dinge für den täglichen Bedarf einkaufen, begegnet vielen Tieren (Hunde und die Alpaca Schaf-Herde der Nachbarin) und einen Tipp für die
Packliste: Sandalen benötigt man nicht, oder man ist entspannt, was den Mix an Schlamm und Dreck an den Füßen angeht.
Zusammen mit den anderen Zahnärzten teilt man hier eine WG im gleichen Haus, in dem auch die Familie von Doña Adela wohnt und wo sich auch die Praxis befindet. Besonders habe ich den respektvollen und lieben Umgang untereinander geschätzt. In der WG hat man sein eigenes Zimmer und teilt sich die Gemeinschaftsräume. So haben wir den Tag oft gemeinsam mit leckerem exotischem Obstsalat, frischen Avocados und Brötchen begonnen. An den Abenden gab es oft ein Glas Guarapo oder es wurde noch ein Spaziergang durch den Ort unternommen. 8.30 Uhr öffnen die Praxistüren. Von 12-14 Uhr ist Mittagspause, wo nach gemeinsamem Mittagessen bei Doña Adela Zeit für einen selbst bleibt, bis man von 14-18 Uhr dann in den Nachmittagsteil der Behandlung geht.
Beeindruckend ist die Geduld der Bolivianer*innen, die oft stundenlang im Wartezimmer warten, bis sie an der Reihe sind. Die Menschen, die die Praxis aufsuchen, haben oft Schmerzen und so gehören Karies-ex, Füllungen, Endo, Endo, Endo, Fissurenversiegelungen und Extraktionen zu den Hauptaufgaben. Schnell durfte ich als Behandlerin tätig sein und mir wurde viel Vertrauen von den ZÄ mit Berufserfahrung entgegengebracht. Die Patient*innen sind auch während der Behandlung nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen. Es kommt nicht selten vor, dass der ein oder andere auf dem Stuhl einschläft. Hihi! Bei den kleineren Patienten sieht das aber ganz anders aus. Da oft schlimme Gebisszustände vorzufinden sind, ist die Angst und der Schmerz groß. Das ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Es ist schwierig, dann geeignet zu kommunizieren, wenn man nicht eine Sprache mit den Kindern spricht. Oft sind viele Zähne schon so zerstört, dass man diese nur noch extrahieren kann. Da aber auch die Eltern nicht genügend aufgeklärt sind und ihr Bildungsstand oft nur gering ausgeprägt ist, ist es sehr herausfordernd für sie zu
verstehen, was „falsche Zahnernährung“ wirklich bedeutet. Auf den Straßen sieht man viele Kinder mit Lollies im Mund, es wird unglaublich viel Coca Cola konsumiert und dementsprechend sind die 6er oft schon so schlimm zerstört, dass man nicht mehr viel retten kann. So hat die Fissurenversiegelung einen großen Stellenwert und ein hoffentlich zeitnahes Wieder Aufsuchen der Praxis.
Der Abschied aus dem Projekt war natürlich sehr traurig und es ist schade, dass ich Doña Adela, Wilfredo, Carolin, Henry, Ottis und Timmy (die süßen und lieben Hunde) verabschieden musste.
Aber es bleibt ein „Hasta pronto" denn „Bis bald“ lässt einen doch hoffen, sich bald wiedersehen zu können. Ich werde die bunten Farben der Frauen; die vielen Babies, die auf einer Decke mit im Behandlungszimmer sitzen; Kinder, die am Geschenketisch große Augen machen; all diese Diskussionen, warum ein Zahn doch nicht einfach nur eine Tapas Füllung bekommen kann; die uuuuunendliche Geduld der Patienten, stundenlang im Wartezimmer oder auf dem Stuhl zu sitzen; die Art und Weise, wie die Patienten von unten auf den Behandlungsstuhl krabbeln und sich auf ihre einzigartige ulkige Weise darauf setzen und die Kinder, die von einem zum anderen Behandlungszimmer von Schwester Cousine zu Tante rennen uvm., sehr vermissen und mich
hoffentlich noch oft mit einem Lächeln daran zurück erinnern.
Aber gleichzeitig werden mir auch die Bilder nicht aus den Kopf gehen, wenn eine 8-Jährige zum ersten Mal in der Praxis erscheint und bei der Befundaufnahme alle Zähne mit einem „z“ für
zerstört gekennzeichnet werden; ein stark retardierter Mann, der von seiner Frau begleitet wird und sie berichtet, dass er einen Unfall hatte und deshalb dieses große Loch im Kopf hat, aber ein Notarzt aus finanziellen Gründen niemals besucht wurde; die vielen jungen Frauen Anfang 20, die mit 3 Kindern im Arm erscheinen, und all diese nackten, schnutzigen Füße in Flip Flops. Ja, die Zeit war nicht nur wunderschön, aber sie hat mich um so vieles reicher gemacht. Zum einen, Dinge wieder ganz anders zu schätzen, zum anderen hat sie mir viel Ruhe und Geduld gelehrt, hat gezeigt, dass Kommunikation doch in so vielen Ebenen stattfindet und man Glück nur weitergeben kann, wenn man selbst glücklich ist. Deshalb ist es, trotz allem Unheil und der Armut auf dieser Welt, okay, selbst glücklich zu sein.
An den Wochenenden hat man Zeit, das Land zu erkunden. Da das Netzwerk der Nachtbusse gut funktioniert, kann man unkompliziert über die Nächte weitere Fahrten auf sich nehmen. So hab
ich La Paz besuchen können und den Salar de Uyuni, beide sehr schöne Orte, die so unfassbar anders sind, von dem, was ich bisher kannte. Die Wüste Siloli, die Lagunen des Nationalparks, die vielen Flamingos und viele andere Tiere, die wunderschönen heißen Quellen und Geysire waren einfach unbeschreiblich schön, und so konnte ich nochmal eine ganz besonders schöne Seite der Natur von Bolivien entdecken. Darüber bin ich sehr dankbar und kann es nur empfehlen, entweder an den Wochenenden oder nach der Zeit im Projekt ein paar Tage dafür
einzuplanen.
Ich kann jedem nur empfehlen, sich Zeit für solch ein Projekt zu nehmen. Du machst es viel mehr für dich, als du glaubst.
Jeanette Buchhardt
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