Maltschik, Michael
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Bolivia movil 15.8.18 – 21.9.18
Der Aufenthalt in Bolivien war mein bisher größtes Abenteuer, welches unvergesslich bleiben wird und bei dem ich viele Freundschaften geschlossen habe, die auch in Zukunft bestehen werden. Ich sah eine Ecke der Welt, in der ich zuvor nie gewesen war, und ich würde diese Reise immer wieder machen.
Mein Abenteuer fing mit einer sehr langen Anreise an. Beginnend in Frankfurt, über Madrid und Santa Cruz, kam ich nach 22 Stunden endlich in Sucre an. Der Flug an sich war dennoch sehr angenehm, allerdings sollte man genug Verpflegung mitnehmen, da die Bordküche nur sehr dürftig ist. Vom Jetlag geplagt, stieg ich also am Flughafen in Sucre in das erste Taxi und ließ mich zum Hostal „Corona Real“ chauffieren. Schon bei dieser Fahrt offenbarte sich mir die wundervolle und einzigarte Landschaft, die ich in den darauffolgenden Wochen noch erkunden sollte. Unangenehm fielen mir allerdings die Unmengen an Müll auf, die die Straßen säumten. Man sah auch sofort, dass Bolivien zu den ärmsten Ländern in Südamerika zählt. Überall standen halbfertige Häuser, Kühe und Esel bewegten sich frei am Straßenrand entlang. Ein großes Problem in diesem Teil der Erde scheinen auch Straßenhunde zu sein. Mir wurde erzählt, dass allein in Sucre auf ca. 250.000 Einwohner rund 60.000 Straßenhunde kommen. Ich hatte aber nie ein Problem mit ihnen.
Nach einem kurzen Schläfchen im sauberen Hostal, holte mich schließlich Ekkehard, der Leiter der Hilfsorganisation, ab. Wir liefen zuerst zu einem weiteren Hostal wenige hundert Meter von meinem Schlafplatz entfernt. Auf dem Weg beeindruckte mich die pulsierende Stadt, in der ich mich befand. Überall standen Männer, die wie Opernsänger lauthals Fahrgäste für ihre Trufis nach Potosí oder Cochabamba suchten. Alle paar Meter gab es Essensstände, an denen hauptsächlich Hühnchen und Kartoffeln verkauft wurden. Alles roch nach Gewürzen und leckerem Essen. In den folgenden Wochen sollte ich oft Halt an solchen Ständen machen.
Die ersten zwei Wochen waren wir in Sucre in einer Schule tätig. Nach einem ausgiebigen Frühstück, fuhr ich zusammen mit Anna und Jana, die in Münster studieren, mit dem Trufi rund eine halbe Stunde vom Hostal zur Schule. Bemerkenswert war das scheinbare Verkehrschaos in der Stadt. Keiner schien sich so richtig an Verkehrsregeln zu halten und fuhr wie er wollte. Hupen gehört dort auch beim Abbiegen und Überholen zum guten Ton. Dennoch habe ich keinen einzigen Unfall gesehen und ich habe mich auch sonst sehr sicher gefühlt.
Die Arbeit an der Schule war sehr schön und erfüllend. Das Equipment war in Ordnung, es gab all das für die Behandlung, was man aus Deutschland kennt. Hier auch noch einmal ein großes Lob an die Organisatoren. Vormittags kamen die jüngeren Schüler und Schülerinnen, nachmittags die älteren. Wir hatten die Kinder schnell ins Herz geschlossen. Alle waren sehr herzlich und freundlich. Da wir gern gesehene Gäste waren, wurden wir von allen lautstark gegrüßt. Die Arbeit bestand aus Zahnreinigungen, Füllungen und Extraktionen. Leider mussten wir feststellen, dass es nicht ganz so gut um die Mundhygiene der Kinder bestellt war. Schon die Kleinsten hatten Wurzelreste und viel Karies. Mir wurde sofort klar, dass wir hier einen wichtigen Beitrag leisteten. Das Highlight für die Kinder war sicherlich die Zahnbürste, die jeder kleine Patient von uns bekam. Es war ersichtlich, dass es grundlegend an Wissen über Zähne und Mundhygiene mangelte. Dies den Kindern näher zu bringen war ein großer Teil unserer Arbeit. Gegessen haben wir mittags in den nahegelegenen „Garagen“, in denen sich hauptsächlich einheimische Bauarbeiter tummelten. Das Essen bestand immer aus einer Suppe und einem Hauptgericht und war immer sehr gut und günstig. Es kostete umgerechnet zwei Euro. Gearbeitet wurde von Montag bis Freitag. Am Wochenende hatten wir die Möglichkeit uns das wunderschöne Sucre mit seinem unglaublichen Zentrum mit liebevoll restaurierten Kolonialbauten und riesigen vielfältigen Märkten anzuschauen. Allein Sucre war es wert nach Bolivien zu kommen. Nach zwei Wochen musste wir uns dann schon von unseren lieb gewonnen Patienten verabschieden. Uns wurde ein toller Abschied gewährt, bei sich die ganze Schule versammelt hatte. Wir wurden von allen(!) Schülern umarmt, bekamen leckeren Empanadas zu essen und noch ein selbst gebasteltes Abschiedsgeschenk. Wir wären gerne noch länger dort geblieben.
Die darauffolgenden vier Wochen arbeiten wir in Sarufaya in einem Internat inklusive Schule. Das war ein zwei Stunden östlich von Sucre gelegenes Dorf mit rund 200 Einwohnern. Die Fahrt dahin war atemberaubend, wenn auch nichts für schwache Mägen. Die Straße schlängelte sich durch eine bergige Landschaft, die so schön war, dass man sie auf keiner Postkarte finden kann. Das Dorf an sich bestand aus vier Quer- und fünf Längsstraßen, auf denen es Esel, Truthähne, Schafe, Ziegen und einige sehr anhängliche Straßenhunden samt ihrer Welpen gab, die wir sofort ins Herz geschlossen hatten. Wir schliefen in einem Zimmer im „Zentrum“ des Dorfes, welches sauber und völlig ausreichend war. Die Dusche war immer warm, allerdings hatten wir keine Klospülung und mussten mit einem Eimer nachspülen. Dies war allerdings nie ein Problem. Wir wurden am ersten Tag sehr herzlich mit einem selbst gebackenen Brot empfangen und kochten dann zusammen mit unseren Gastgebern Rocio, Albertina und Miguel ein landestypisches Gericht. Gegessen wurde dann morgens, mittags und abends zusammen mit den Internatskindern, mit denen wir uns auch sehr schnell anfreundeten. Wir bauten unser Instrumentarium in einem Raum etwas außerhalb der Schule neben der örtlichen Krankenstation auf. Der dort praktizierende Arzt Pablo war fortan auch unser Freund, mit dem wir uns auf Anhieb verstanden und auch nach der Arbeit auf einen Gläschen Wein oder Rum trafen. Die Arbeit war ähnlich wie in Sucre. Viele Kinder in ländlichen Raum hatten aber nicht mal eine Zahnbürste bzw. kannten eine solche nicht. Es gab gewaltige Unterschiede in der Mundhygiene. Es gab Kinder, die fast nichts hatten und es gab solche, bei denen man mit 6 bis 7 Jahren schon fast alle Zähne hätte ziehen können. Die Kinder hatten aber auch keine richtigen Vorbilder im Bezug auf Mundhygiene, da ihre Eltern und Verwandten selbst schon sehr viele Lücken und stark ausgeprägte Parodontitis hatten. Dank der langen Dauer unseres Aufenthaltes war es aber möglich viele Kinder fertig zu behandeln und ihnen für die Zukunft wichtige Tipps für ihre Mundhygiene zu geben. Ein Highlight in Sarufaya war sicherlich die Landschaft mit der teils noch unberührten wilden Natur. Am Tag der Arbeit war es uns auch möglich bei einer längeren Wanderschaft den Hausberg zu besteigen und uns ein unvergessliches Panorama über die gesamte Gegend zu sichern. Das schönste an Sarufaya war allerdings der Sternenhimmel. So deutlich und vielfältig hatte ich noch nie zuvor die Sterne und die Milchstraße gesehen. Wegen der mangelnden Beleuchtung im Dorf war dies möglich. So viele Sternschnuppen wie in Sarufaya hatte ich zuvor in meinem ganzen Leben nicht gesehen. Am Wochenende sind wir dann immer zusammen mit den Lehrern der Schule zurück nach Sucre gefahren und haben dann im Hostal "Kultur Berlin" residiert. Dieses von einem Deutschen geführt Hostal wurde zu einer zweiten Heimat. Dort haben wir uns mit der zweiten Gruppe des Bolivia movil getroffen, die noch ein wenig weiter östlich von uns in Padilla praktizierten. Zusammen mit ihnen haben wir dann unvergessliche Ausflüge nach Uyuni in der Salzwüste, nach Cochabamba, nach La Paz und nach Copacabana zum Lago Titicaca gemacht.
Bolivien ist ein sehr vielfältiges Land. Hier kann man sich sowohl das Hochgebirge in den Anden inklusive Vulkanen und Wüsten, als auch tropische Regionen anschauen. Es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Die Natur ist unvergleichlich und man begegnet Kolibris und Papageien. Das Beste an Bolivien sind aber seine Bewohner. Trotz aller Armut sind wir immer freundlich und herzlich empfangen worden. Die Menschen sind hier glücklich, auch wenn der Fortschritt in diesem Teil der Erde ein wenig hinterherhinkt. Ich würde jedem Menschen empfehlen, ein solches Abenteuer zu wagen. Nach so einer Reise weiß man die Annehmlichkeiten in Deutschland und unser Leben hier viel mehr zu schätzen. Ich habe Freunde fürs Leben kennengelernt und würde dieses Projekt jedem ans Herz legen. Ich werde auf jeden Fall in den nächsten Jahren wieder nach Bolivien fahren, auch wenn es nur für 2 oder 3 Wochen ist.
Michael Maltschik