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Wendt, Viviane

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Huancarani, 31. July - 01. September 2023
Nachdem Ende Juli alle Vorbereitungen (Flüge gebucht, neuer Reisepass ausgestellt, Impfungen aufgefrischt, Reiseapotheke aufgestockt, Versicherungen erweitert etc.) getroffen waren, war es endlich soweit und meine Famulatur in Bolivien konnte beginnen. Von Frankfurt aus ging es über Madrid weiter nach Santa Cruz und von dort nach Cochabamba. Am Zielflughafen angekommen, wurde ich freundlich von Henry, Doña Adelas Sohn, empfangen. Auf der folgenden ca. einstündigen Autofahrt von Cochabamba nach Huancarani durfte ich dank Henry bei einem kurzen Stopp an einem Straßenstand auch direkt die erste bolivianische Köstlichkeit – Salteñas – probieren. Ein wirklich sehr leckeres Frühstück und ein gelungener Start!
In Huancarani angekommen wurde ich zunächst stürmisch von den 3 Hunden und danach herzlich von Doña Adela begrüßt, die mir zugleich mein Zimmer für die nächsten 5 ½ Wochen zeigte. Die Voluntarios wohnen zusammen in einer wirklich sehr gut ausgestatteten und komfortablen Wohnung. Da ich vormittags, kurz vor der Mittagspause um 12 Uhr ankam, waren meine Kolleginnen Leonide und Franziska gerade noch am Behandeln und dementsprechend sagten wir uns nur kurz Hallo. Beim Mittagessen war dann jedoch genug Zeit um sich besser kennen zu lernen und etwas auszutauschen. Da mein Langstreckenflug ein Nachtflug war, habe ich mich trotz der doch sehr langen Anreise fit genug gefühlt, um nach der Mittagspause um 14 Uhr direkt mit anzupacken. So habe ich den restlichen Tag assistiert sowie behandelt und konnte mich dadurch schnell in den Praxisalltag einleben und auch das Jetlag recht erfolgreich austricksen.
Die nächsten Tage stellte ich überrascht fest, dass die Patienten bereits früh morgens, meist 2 Stunden bevor die Praxis öffnet, geduldig vor der Tür warten und, wenn es aufgrund des großen Andrangs nicht anders geht, auch ohne Widerspruch die Mittagspause hindurch geduldig warten. Dies war für mich zunächst sehr befremdlich, da Patienten in Deutschland nicht so lange warten und es auch niemals so überaus geduldig tun würden. So hatte ich anfangs mit meinem schlechten Gewissen zu kämpfen, wenn jemand warten musste, während wir in aller Ruhe zu Mittag aßen.
Unter der Woche wurden wir mittags und abends von Doña Adela bekocht. Das von ihr frisch zubereitete Essen war sehr abwechslungsreich und wirklich köstlich, so dass ich mir oftmals einen Nachschlag gönnen musste.😉 In der Mittagspause machten wir zudem gerne kleine Spaziergänge durch Huancarani oder liefen nach Sipe Sipe, um frisches Obst für das Frühstück zu kaufen und andere kleinere Besorgungen zu erledigen.
Da die beiden Behandlungszimmer überaus gut ausgestattet sind, reichte der Behandlungsumfang von Zahnreinigungen und Füllungen, über Extraktionen bis hin zu Wurzelkanalbehandlungen. Prothetisch konnten wir während unserer Zeit leider keine Patienten versorgen, da kein Zahntechniker vor Ort war, jedoch wäre auch hierfür alles Nötige vorhanden gewesen.
Bei vielen Patienten stellten wir einen großen Behandlungsbedarf fest. Besonders schockierten uns allerdings tief kariös zerstörte Milch- und Wechselgebisse. Hier konnten wir bedauerlicher Weise auch bei den noch sehr jungen Patienten bleibende Zähne nicht erhalten und mussten als letzte Behandlungsoption die Extraktion wählen. Erfreulicherweise kamen jedoch auch Patienten mit geringerem Behandlungsbedarf vorbei, die lediglich eine Kontrolle sowie eine Zahnreinigung wünschten.
In den 5 ½ Wochen bekam ich durch die beiden erfahrenen Zahnärztinnen Delia und Leonide die Möglichkeit neue Vorgehensweisen kennen zu lernen, enorm viel dazuzulernen und so mein universitäres Wissen zu erweitern.
Bis auf die Woche des Nationalfeiertages (6.08.) hatten wir immer einen recht großen Patientenandrang und haben daher auch oftmals eine Stunde länger gearbeitet, um dem Ansturm gerecht zu werden und möglichst keinen Patienten unbehandelt wegschicken zu müssen. Gerade in den letzten 2 Wochen, in denen Delia und ich lediglich zu zweit waren, kamen täglich noch einmal sehr viele Patienten vorbei, weshalb wir uns dazu entschieden getrennt – jede von uns in einem Behandlungszimmer – zu behandeln. Delia arbeitete deshalb ohne Assistenz, während ich das Glück hatte mit Henry zusammen arbeiten zu dürfen, der mich auch in sprachlicher Hinsicht wirklich toll unterstützte.
Doch war meine Zeit in Bolivien nicht nur von Arbeit geprägt. An den Wochenenden hatten wir ausreichend Zeit Bolivien – ein Land mit vielen Facetten – zu erkunden. So machten wir eine 2-Tages-Tour durch die faszinierenden, schneeweißen Weiten der Salar de Uyuni und besuchten La Paz, den Titicacasee inklusive der Isla del Sol sowie den Torotoro Nationalpark mit seinen beeindruckenden Dinosaurierspuren. An dem letzten Wochenende vor meiner Abreise ging es für uns sogar noch nach Sucre – die Kolonialstadt wird wahrlich nicht umsonst als die schönste Stadt Boliviens angepriesen – und zu den Silberminen in Potosi. Für die Ausflüge machten wir uns meist bereits Freitag abends nach der Arbeit per Nachtbus oder Flugzeug auf den Weg, um so schon Samstag früh am gewünschten Ort zu sein. Da das Consultorio montags erst nachmittags, um 14 Uhr öffnet, kamen wir meist auch erst Montag früh von unseren Wochenendtrips zurück. Da im August sehr viele Fiestas in Bolivien stattfinden, blieben wir ein Wochenende Zuhause und konnten uns so sehr glücklich schätzen die Fiesta de la Virgen de Urkupiña in Quillacollo mitzuerleben. Ein weiterer Feiertag eröffnete uns zudem während der Woche die Möglichkeit den höchsten Berg der Region, den Pico Tunari mit einer Höhe von 5.035 Metern zu besteigen.
Abschließend kann ich nur betonen, dass die 5 ½ Wochen wirklich wie im Flug vergangen sind und ich auf wunderschöne, bereichernde – sowohl lehrreiche als auch abenteuerliche – Wochen in Bolivien zurückblicke, die ich so schnell nicht vergessen werde. Ich bedanke mich von ganzen Herzen bei Ekkehard und auch meiner Familie, dass ich die Möglichkeit bekommen habe eine Famulatur wie diese zu machen und an diesem herausragenden Projekt mitzuwirken. Vielen Dank auch an Delia, Leonide und Franziska für die tolle Zusammenarbeit und das mir entgegengebrachte Vertrauen. Es hat richtig viel Spaß gemacht, in einem so tollen Team zusammen zu arbeiten und an den freien Wochenenden mit euch Bolivien zu erkunden. Ein dickes Dankeschön auch an Doña Adela und Henry, die vor Ort für die Konstante sorgen. Henry ist für den Erfolg und das Fortbestehen des Projektes essenziell, denn er koordiniert das Praxisgeschehen, indem er die Patienten aufnimmt, bei technischen Problemen zur Seite steht, die Instrumente sterilisiert, bei Bedarf von Quechua auf Spanisch übersetzt und auch assistiert.
 
Mein Aufenthalt in Huancarani ist für mich wirklich unvergesslich und ich nehme extrem viel aus der Zeit mit, sei es aus zahnmedizinischer als auch aus zwischenmenschlicher Sicht. Für die vielfältigen Erfahrungen und schönen Erlebnisse, die ich sammeln durfte, bin ich unsagbar dankbar. Ich kann jedem wirklich nur empfehlen sich beim FCSM zu engagieren und einen Hilfseinsatz wie diesen zu machen! Ich würde jederzeit wieder eine Famulatur in Bolivien machen!
Viviane Wendt
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