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Brandes, Dieter

Erfahrungsberichte > Archiv
Huancarani, 24.11.2014 - 19.12.2014
Ich werde zur Vermeidung  unnötiger Prosa den Bericht stichwortartig abfassen, wobei die  Reihenfolge der angesprochenen Punkte ausdrücklich keine Wertung  enthält, sondern meiner Intuition folgt.
Bolivien ist ein beeindruckendes Land voller landschaftlicher  Schönheit und mit Gegenden, die man nur dort zu sehen bekommt. Leider  ist Bolivien auf der anderen Seite ein staubiges und unter Plastikmüll  begrabenes Land, das zusätzlich noch von den in der Regel scheußlichen  Ergebnissen einer ungeregelten Bautätigkeit verunstaltet wird. Bei  ständig wachsender Bevölkerung und einer starken Binnenwanderung wird  sich dies sicher nicht verbessern.
Die Menschen, die mir in Bolivien begegnet sind, waren ausnahmslos  sehr freundlich und hilfsbereit, was gegenüber einem Gringo (auch wenn  ich nicht aus den USA bin, was man aber nicht sofort sieht) nicht  unbedingt zu erwarten war. Jedenfalls hat es in dieser Hinsicht  ausschließlich positive Erlebnisse gegeben.
Der Ort Huancarani liegt überraschend nahe an der Agglomeration  Cochabambe-Quillacollo, ich hatte eine eher noch abgelegenere Ortschaft  erwartet. Trotzdem ist die Versorgungslage in H. eher dürftig, für  Einkäufe muß man doch mit Fahrtzeiten nicht unter einer Stunde rechnen,  hin und zurück, die Fahrtmöglichkeiten mit Sammeltaxis („Trufis“) sind  gut, preiswert und häufig.
Die Unterkunft in der Wohnung der Volontäre für die Kinderbetreuung  ist gut und vollständig, besonders die Versorgung mit warmem Wasser ist  erfreulich. Eine gelegentliche Grundreinigung auch der Fenster und der  Vorhänge könnte nicht schaden.
Die Anreise war soweit unkompliziert, nur bei der Zollkontrolle in  Santa Cruz wurde bemängelt, daß ich nicht deklarierte medizinische  Produkte mitführte. Dies sollte nach Aussage der ansonsten sehr  freundlichen Zöllnerin nächstens VORHER bei den zuständigen Stellen  geschehen, wer immer das auch sein mag. Da ich mich einsichtig gezeigt  habe und mehrfach darauf hingewiesen habe, daß alles Spenden zum Wohl  des bolivianischen Volkes waren, hat man mich mit allem Material  einreisen lassen.
Bei der Ausreise wurde ich im Rahmen der Drogenkontrolle  ZWANGSGERÖNGT (!), und alle Passagiere mit Hunden abgeschnüffelt, was  zum einen den Abflug um anderthalb Stunden verzögert hat und was zum  anderen die Lust auf eine weitere Reise nach Bolivien doch etwas  mindert.
Die Behandlungsmöglichkeiten im consultorio sind ausreichend. Die  Materiallage ist großzügig und zur Zeit brauchen keine weiteren  Lieferungen zu erfolgen, mit Ausnahme der unten aufgeführten Dinge.
Nicht ausreichend ist m.E. die Saugleistung, die auch bei sauberen  Filtern eher mangelhaft ist. Wie man unter den gegebenen Umständen z.B.  mit dem vorhandenen Pulverstrahlgerät arbeiten will, ohne nach jedem  Patienten den Raum zu renovieren, erschließt sich mir nicht.
Die Behandlungsstühle sind auch für einen nicht zu großen (1,75m)  Europäer zu niedrig, es ist mir nicht gelungen, bei der UK-Behandlung an  Erwachsenen eine passende Behandlungsposition zu finden, zumal der  Patientenstuhl nicht sehr weit herunter fährt.
Der Sterilisator funktioniert nicht zuverlässig. Manchmal wird das  Programm korrekt ausgeführt, manchmal bläst er schon nach fünf Minuten  wieder ab und sterilisiert nicht. Diego wird den Techniker mit einer  Überprüfung beauftragen.
Die von mir mitgebrachten selbstentwickelnden Röntgenfilme  funktionieren gut, Belichtung ca. 0,5 sec. Sie ersparen das Ansetzen und  Entsorgen der Entwicklerlösungen. Etwa 45 Stück sollten noch vorhanden  sein.
Vor den Hunden im Dorf sollte man sich ein wenig in acht nehmen, ich  bin gleich während der ersten Tage gebissen worden, und das eher aus  heiterem Himmel, also ohne vorheriges Drohen. Wenigstens ging es nicht  bis ins blutige.
Das von Doña Adela zubereitete Essen ist kalorienmäßig ausreichend,  nicht weniger und nicht mehr. Mit dem Essen z.B. in Guadalupe ist es  nicht zu vergleichen. Doña Adela ist ansonsten sehr lieb und  hilfsbereit, hatte aber wegen ihres kranken Vaters oft wenig Zeit.
Mehrfach wurde die Frage nach prothetischer Versorgung gestellt. Ich  habe die Patienten mit dem Hinweis auf das nicht vorhandene Labor  vertrösten müssen.
Nicht gelöste Probleme:
Wie bringe ich einen siebenjährigen  Patienten ohne Begleitung dazu, den schon tief zerstörten unteren  Sechser entfernen zu lassen?
Die von mir großzügig verteilten  Mahnungen an die Mütter, den Kindern den Zuckerkonsum zu entziehen als  einzige Möglichkeit, die Zähne zu erhalten, geht links rein und ohne  Widerstand rechts wieder raus. Ich habe zu viele Kleinkinder mit  Dauerlutschern gesehen. Laut Diego gibt es bei aller  Regierungspropaganda, mit dem die Fernsehprogramme gefüllt sind, doch  keine Aufklärung über Zahngesundheit. Und der echte Altiplanobewohner  ließe sich sowieso nichts sagen.
Ausflüge: Sonja und ich habe an den Wochenenden folgendes besucht:
1. Salar de Uyuni
2. Sucre
3. Villa Turnari
Alle  Ausflüge waren mit endlosen und unbequemen Busfahrten verbunden. Ich  empfehle sehr, seine Verdauung mittels Loperamid während der  Fahrten ruhigzustellen.
Dieter Brandes
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