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Exner, Lea

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Huancarani, 14.10.22 - 13.11.22
Mitte Oktober ging es los. Mit den Vorbereitungen begann ich schon ein paar Monate zuvor: Flüge buchen, Impfungen auffrischen, Medikamente kaufen, Reiseführer bestellen,… Für mich war es zwar nicht das erste mal in Lateinamerika, dafür aber das erste mal in Bolivien und ich war schon sehr gespannt was mich dort erwartet. Vor allem war es auch die erste Famulatur meines Lebens und ich freute mich schon unheimlich auf diese einzigartige Erfahrung. Einen Kulturschock wie man von manchen hört, hatte ich keineswegs und hätte ich auch nie erwartet - auch weil ich bereits wusste, was mich in Lateinamerika más o menos erwarten würde.
Von Frankfurt aus flog ich über Bogotá und La Paz nach Cochabamba und lernte direkt Kolumbianer kennen, mit denen ich mein Spanisch auffrischte. Um 6:30 Uhr morgens in Cochabamba angekommen, stieg die Vorfreude umso mehr und die Spannung darauf, wie das Projekt und meine Mit-Voluntarios wohl sein würden. Will hatte mich am Flughafen in Empfang genommen und mir während der Autofahrt bereits einiges über das Leben hier und die Praxis erzählt. Nach ca. 1 h Fahrt kam ich in dem kleinen Dorf Huancarani an. Relativ abgelegen, aber doch ringsum umgeben von kleinen Dörfern, die ich nach und nach kennenlernte.
In Huancarani wurde ich super während des Frühstücks der Voluntarios empfangen und war erstmal erstaunt über die Größe des Gebäudes und die gute Ausstattung. Direkt fing ich an mitzuarbeiten und wurde perfekt eingewiesen, was die Materialien und Behandlungen angingen. Die Praxis war sehr gut ausgestattet. Von Röntgen über einen VDW Gold Motor und einer großen Breite an Schleifinstrumenten und chirurgischen Materialien war wirklich alles vorhanden. Über die gesamte Zeit vermisste ich keine Materialien. Auch die Behandlungsstühle waren alle elektrisch und ähnelten denen in Deutschland. Vor allem als ich in meiner Zeit einen bolivianischen Zahnarzt spontan besuchte, fiel mir nochmals die extrem gehobene Ausstattung auf deutschem Niveau in unserem Consultorio auf.
Von Füllungen, über Endos, Zahnextraktionen und Interimsprothesen war alles dabei. Auch waren mit mir noch zwei Zahntechnikermeister dort, so dass wir wirklich einige Interimsprothesen (= Placas) machen konnten. Durch einen erfahrenen Zahnarzt, der schon zwei Wochen vor mir da war, bekam ich auch die Möglichkeit, super viel dazuzulernen und mein universitäres Wissen auszubauen und zu sichern. Vor allem was das Trennen von Zähnen mit der Lindemann-Fräse anging (oder Extraktionen generell) konnte ich viel dazulernen. Ich hatte in meinen ersten zwei Wochen mit einer weiteren Jung-Zahnärztin zusammen gearbeitet. Ich kam ja auch frisch von der Uni und so konnten wir uns in unseren Behandlungen abwechseln und austauschen.
Die Behandlungen haben immer sehr viel Spaß gemacht, wobei auch erschreckende Gebisssituationen zu sehen waren: Kinder mit total-kariösem Zahnbestand! Dutzende Pulpa-Polypen, junge Erwachsene mit Zahnlücken,… waren leider die Realität. Wobei auch immer wieder Patienten kamen, die nur eine Zahnreinigung wünschten und auch ganz solide Gebisssituationen hatten.
Die Einheimischen waren auf jedenfall über jede Behandlung zufrieden und ultra dankbar - auch wenn sie morgens seit 5 Uhr auf die Behandlung warteten und eventuell erst nachmittags dran kamen. Denn der Andrang ist sehr groß! Termine vergaben wir keine, da es einfach ungewiss ist, ob die Patienten kommen oder nicht. Daher galt: wer zuerst da ist, wird auch zuerst behandelt.
In unserem großen Gebäude kümmerte sich Doña Adela um das Essen für uns. Und ich muss sagen, das war ein Traum. Allein die frischen Salate waren ein Genuss und das Essen war generell sehr geschmackvoll und immer frisch mit viel Gemüse - aber natürlich auch mit Fleisch. Zusammen machten wir einmal einen Grillabend, bei dem es sehr leckere Steaks gab. Die Bolivianer rechnen mit 500g Fleisch pro Person - kaum zu glauben, wie man das alles essen kann. Aber hier sind die Portionen einfach riesig - verhungern kann man definitiv nicht. Und falls man Vegetarier ist, keine Sorge! Doña hat sich sehr
angepasst mit dem Kochen und auch außerhalb ist es möglich, vegetarisch zu essen.
Neben Doña wohnte auch Henry vor Ort und kümmerte sich viel um den Praxisalltag, assistierte auch ab und an, nahm die Patienten auf und koordinierte
das Praxisgeschehen. Dadurch lief alles reibungsfrei ab und wir kümmerten uns voll um die Behandlungen. Zu tun gab es immer genug. Morgens begann die Arbeit um 8:30 h. Pause war von 12-14 Uhr und abends ging die Arbeit bis 18 Uhr. Außer am Montag, da fingen wir erst um 14 Uhr an, was den Ausflügen am Wochenende zugute kam.
Generell kann man die Wochenenden sehr gut für Ausflüge nutzen. Ich habe das zum Teil echt unterschätzt. Denn nach meiner Famulatur hatte ich noch ca. 3 Wochen zum Reisen eingeplant, aber vieles konnte ich auch schon während meiner Famulatur machen - vor allem die Ausflüge um Cochabamba herum.
Wir Voluntarios verstanden uns über die gesamte Zeit super gut und hatten sehr harmonische und freundschaftlich Verhältnisse, was meine Abreise auch erschwerte. An den Wochenenden hatten wir genügend Zeit, das Land zu erkunden. Vor allem mit den Nachtbussen kommt man in diesem Land echt schnell von A nach B und das auch noch recht günstig. Meist sind wir schon Freitag abends nach der Arbeit los, um bereits Samstag früh am gewünschten Ort zu sein. Da das Arbeiten montags erst um 14 Uhr begann, kamen wir auch meist erst Montag früh zurück. So waren wir in einer Inkastätte namens
Incalljata und in Tortora, ein Wochenende war für den Cerro Tunari (5030m hoch) reserviert, von unserem Nachbarort haben wir die Wanderung nach Inka Rakay - auch eine Inkastätte - gemacht.
Auch waren wir im Salar de Uyuni und machten die 2-Tages-Tour. Wir blieben auch mal am Wochenende vor Ort und schauten uns Cochabamba und Quillacollo genauer an und gingen auf all die Märkte. Nach meinem Einsatz war ich dann noch in Potosí, Sucre, La Paz und am Titicaca-See.
Die Zeit in Huancarani habe ich jeden Moment genießen können. Ich habe so viel dazulernen können, tolle Erfahrungen und nette Gespräche mit den Patienten gehabt und nebenbei noch eine Menge vom Land sehen können. Ich würde jederzeit wieder so eine Famulatur im Ausland machen. Nicht nur weil der Dank der Menschen so extrem groß ist und die Lernkurve exponentiell ist, sondern vor allem weil es extrem viel Spaß gemacht hat und man sein Wissen und Nutzen aktiv den Menschen mitgeben konnte. Ich hatte zu keiner Zeit den Gedanken, meine Zeit zu verkürzen und ich kann es nur jedem ans Herz legen, diese Gelegenheit zu nutzen und eine Famulatur in Bolivien zu machen. Vor allem im Projekt vom FCSM e.V., da dies einfach top organisiert war und wir durch die enorme gute Praxisausstattung einfach alles machen konnten. Jederzeit wieder!
Lea Exner
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