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Grzonka, Michaela

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Huancarani und Chapare (31.08. – 25.09.2015)
 
Ein Abenteuer war es definitiv.
Es ist toll, ein Land mit seinen Menschen so kennenzulernen, wie es wirklich ist, indem man mittendrin in abgelegenen Orten arbeitet und lebt. Im Nachhinein gibt es viele Geschichten zu erzählen, welche von hohem Unterhaltungswert zeugen und einen ein Leben lang begleiten werden. Das Wort Abenteuer sehe ich nach diesem Einsatz jedoch etwas weiter gefasst als zuvor.
Die erste Woche verbrachte ich im Chapare, die zweite in Huancarani, die dritte wieder im Chapare.
Nach Ankunft in Huancarani ging es für mich gleich los ins Chapare, Dschungelgebiet. Ekkehard, sein 14-jähriger Enkel Maxi und ich fuhren aufgrund großer Staus sehr lange (ca.7 Stunden) mit einem Trufi bis in die Nacht zum Haus in Lauca Eñe. Ekkehard hat sich wunderbar um alles gekümmert und mir alles erklärt. Nach zwei Tagen sind die beiden abgereist, die beiden Studentinnen Anni und Alex als meine weiteren Begleiterinnen für die Woche angereist. In der letzten Woche war ich nur mit einer Studentin Ramona im Chapare, da Ann-Kristin erkrankt war und nicht mitfahren konnte.
 
Das Haus an sich hat alles was man braucht, sogar eine Dusche. Jedoch, wie schon öfter beschrieben, ist kein Verlass auf die Wasserversorgung, was im Dschungelgebiet schon ätzend sein kann, da es meist 30 Grad bei maximaler Luftfeuchtigkeit sind. In der ersten Woche funktionierte alles einwandfrei, in meiner zweiten Woche im Chapare leider nicht mehr. Es ist somit abenteuerlich, unendlich verschwitzt und vom Speichel-Wasser-Gemisch vom Behandeln tagsüber kontaminiert, sich dann nicht wirklich waschen zu können. Die dritte Woche sollte es noch toppen, da Ramona erkrankt war und wir nichts wirklich reinigen konnten, geschweige denn die Toilette ohne Spülung wirklich gut funktionierte.
Als Großstadtbewohnerin war es zudem anfangs etwas ungewohnt abenteuerlich „allein“ im Haus am Rande des Dschungels zu schlafen. Außer den beiden Studentinnen war dort niemand als direkte Kontaktperson vor Ort. Eine junge Familie wohnt unten im Haus, der Kontakt jedoch beschränkte sich auf die tägliche Begrüßung im Vorbeigehen. Für die Verpflegung morgens und abends ist man selbst verantwortlich, was teilweise sehr spartanisch ausfällt, da es außer Eiern, Brot und Süßigkeiten in den Läden in unmittelbarer Nähe nicht viel mehr gibt. 
Im Mercado selbst, wo auch unsere Station aufgebaut war, gibt es ein paar Stände mit einer kleinen Auswahl an Obst und Gemüse, wobei die Verkäuferinnen nicht immer anzutreffen sind. Weitere Lebensmittel können im Nachbardorf Shinahota auf den dortigen Märkten gekauft werden, das man mit dem Taxi in ca.15min. erreichen kann, aber nicht immer die Kraft und Lust dazu hat.
Den Standort unserer mobilen Einheit im Mercado sehe ich etwas differenzierter als meine VorgängerInnen. Es ist nicht leicht, schwierige, z.T. auch unangenehme Behandlungen am Patienten durchzuführen, wenn stets Kinder oder andere Zuschauer in die Box (wie alle Stände im Mercado durch kopfhohe Wände getrennt mit weiter Öffnung) schauen und minütlich näher kommen, bis man sie bittet, doch bitte Abstand zu nehmen und etwas leiser zu sein. Generell herrscht im Mercado Leben, wie es nun einmal auf einem Marktplatz ist. Integriert ist eine Grundschule, deren Kinder in den Pausen und nach Schulschluss umher laufen. Zudem habe ich Bedenken gehabt, dass wenn ein Patient kollabiert oder sonstige akute gesundheitliche Probleme bekommt, dann kein Arzt außer uns schnell helfen kann.
Im Dorf selbst gibt es keine zahnärztliche Praxis, dafür aber in den umliegenden größeren Dörfern (Chimoré, Shinahota), welche ich auch geöffnet gesehen habe. Daher hatte ich den Gedanken, die Menschen kommen, da eine Behandlung bei uns billiger ist, oder auch weil sie andere, dringlichere Prioritäten im alltäglichen Leben haben, als im Nachbarort zum Zahnarzt zu gehen.
Die Zeit mit den Studentinnen (Ann-Kristin, Ramona, Alex) war wunderbar, wir haben uns sehr gut verstanden und hatten viel Spaß untereinander. Auch wenn es manchmal schwierige Situationen gab, mit meinen jungen Kolleginnen war es super und wir halfen uns gegenseitig. Mein Bericht erzählt nun mehr von den schwierigen Momenten, welche aber auch definitiv durch schönen geschmückt waren. Diese lassen sich in den anderen Berichten zu Genüge lesen, die ich so auch unterschreiben würde. Der Ausflug nach Toro Toro zu den Dinosaurierspuren, der Besuch der dortigen Höhle, der Ab- und Aufstieg in die Schlucht, war fantastisch. Im Flüsschen des Regenwaldes in Villa Tunari zu baden, wunderschön. Das Treiben auf dem großen Markt in Cochabamba zu erleben, einfach toll. Auch ein Besuch des Nachtlebens in Cochabamba (ich war in zwei Diskos :-)) mit ein paar Brasilianern, die wir dort kennenlernten, ist es definitiv wert.
 
Bolivien kennenzulernen war ein interessantes, spannendes, bereicherndes Erlebnis, welches ich nicht missen möchte.
Die Bezeichnung „Zahnärzte ohne Grenzen“, die viele unbeteiligte Leute für jede Art von zahnärztlichem Hilfsprojekt gebrauchen, kann ich auf mich nicht wirklich übertragen. Ich habe gemerkt, ich bin eine Zahnärztin „mit Grenzen“. Wie mit allem, ist es immer von einem selbst abhängig. Wer ein Abenteuer im weiten Sinne erleben möchte, ist dort definitiv richtig!

Michaela Grzonka


Anm.d.Red.: Michaela hat trotz der Schwierigkeiten durchgehalten - und an dem Wasserproblem arbeiten wir, das war aber auch nicht "normal". Und so verschwitzt wie auf dem Bild rechts war sie nur für das Foto.
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