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Göbell, Lena

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Bolivia movil, 13.08.2018 – 21.09.2018

Freitag, 10. August 2018, Sucre, Bolivien. 2810 Meter über dem Meeresspiegel, wir sind angekommen. Nach mehreren verspäteten Flügen und nicht so leckerem Essen haben wir die Reise endlich überstanden und wurden von Ekkehard am Flughafen wärmstens in Empfang genommen. Unsere Rucksäcke in einem Trufi (lokaler Minibus) verstaut, fuhren wir Richtung Sucre - Innenstadt. Während wir bei einem ziemlich rasanten Fahrstil (an den würden wir uns in den ganzen Wochen noch gewöhnen) von Ekkehard viele Infos über das Land erzählt bekamen, konnten wir die beeindruckende Landschaft rechts und links der Straße genießen. In diesem Moment wusste ich, die Reise hat sich gelohnt. Die riesigen Berge und die unberührte Natur faszinierten mich vom ersten Augenblick an.
Das erste Wochenende verbrachten Anna und Jana (ein Team) und Tini und ich (unser Team) damit, uns an die Höhe zu gewöhnen, die ganzen Materialien auf unsere zwei Gruppen zu verteilen, die Einheiten erklärt zu bekommen und Spekulationen über unsere noch nicht angereisten Zahnärzte anzustellen. Wir vier Studenten kannten uns bereits aus der Uni, sodass ein gegenseitiges Kennenlernen wegfiel. Gemeinsam erkundigten wir ein bisschen die Stadt und gingen abends mit Ekkehard essen. Ekkehard erklärte uns an diesen Tagen auch das Projekt etwas genauer, da wir bis dahin noch keine genauen Angaben hatten, wo es für uns überhaupt hingehen würde. Für unser Team sollte das Projekt so ablaufen: 2 Wochen Sucre (eine Schule); 2 Wochen Padilla (mehrere Schulen); 2 Wochen Campo = Land (stationiert in lokalen „Krankenhäusern“, oder eher Gesundheitseinrichtungen).
Sonntag-Abend war es dann so weit: Wir lernten Andrea kennen. Die super taffe und coole Zahnärztin aus Würzburg, die Tini und mich für die ersten drei Wochen begleiten würde. Alle Zweifel, die wir bis dahin noch hegten, waren spätestens vorüber, als wir ziemlich baff von Andreas Reaktion auf das Verschwinden ihres Koffers waren. Wie kann man da bitte so lässig reagieren? Das fragten wir uns und haben sie direkt angehimmelt. Sie blieb sehr locker, sie hatte ja ihre Lupenbrille dabei und eine funktionierende Kreditkarte. Und außerdem haben die Bolivianer ja auch irgendwas an. So fühlten wir uns jedenfalls direkt in unserem Team wohl, und die Aufregung und Unsicherheit vor dem
morgigen ersten Arbeitstag verwandelten sich vor allem in Vorfreude.
2 Wochen Sagrado Corazon, Sucre
Wir wurden samt unserem Equipment morgens an der Schule rausgelassen. Während wir in unseren Behandlungsraum geführt worden sind, welcher vermutlich mal ein alter Klassenraum war, wurden wir überwältigt von der Hilfsbereitschaft der Bolivianer. Oder zumindest der der Schüler und Lehrer dieser Schule. All unsere Sachen wurden zu diesem Raum gebracht und zwar schneller als wir gucken konnten. Nach einer kurzen Zeit hatten wir unseren Behandlungsstuhl, die Einheit und alles Weitere aufgebaut.
Wir überlegten uns, wie wir als Dreierteam am besten zusammenarbeiten könnten und beschlossen, dass eine Person an der Limpieza Station (Zahnreinigung) und zwei Personen am Behandlungsstuhl arbeiten und wir insgesamt rotieren. Es konnte also losgehen. Die ersten kleinen Patienten warteten schüchtern vor der Tür. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase waren wir alle, Behandler und Patienten, aufgetaut und eingespielt. Unser Behandlungszimmer glich immer mehr einem Spielplatz, voll von neugierigen Kindern. Wir fühlten uns in dieser Atmosphäre schnell wohl und auch die benötigten Vokabeln brannten sich allmählich ein. Das alles konnte aber unseren Schock nicht lindern, als wir in die Münder dieser süßen Kinder schauten: Ruinen und Ruinen und Ruinen.
„Weißt du was eine Zahnbürste ist?“ wurde zu dem Willkommenssatz. Dennoch hatten wir das Gefühl, mit Füllungen, Zahnreinigungen und vor allem dem Erklären vom Zähneputzen etwas zu bewirken. Die meisten Kinder kamen nicht nur einmal, sondern täglich und immer mit etwas besser geputzten Zähnen. Manche Kinder wurden zu unseren besten Promotern und erklärten den anderen Kindern, wie das Zähneputzen funktionierte, oder, dass eine Spritze gar nicht so weh tut.
Wenn der Andrang besonders groß war, teilte ich Zahnbürsten aus und stellte mich vor die Gruppe, nahm mir ebenfalls eine und putzte mir synchron zu den Kindern die Zähne. Bei einigen fiel sofort auf, dass sie vermutlich noch nie eine Zahnbürste in der Hand gehalten hatten. Und wenn man sie danach fragte, bekam man hin und wieder die ehrliche Antwort, dass sich die gesamte Familie eine teilen würde, oder, dass der Papa sich die Zähne mit einer Spülbürste putzt...
Die Kinder stritten sich um den Job des Absaugens, oder dem Halten der Stirnlampe. Es war ein klarer Erfolg, so ein Interesse mit dem Thema Zahngesundheit zu wecken, dass wir abends sehr zufrieden Feierabend machen konnten. Meistens arbeiteten wir bis 17 Uhr, fuhren ins Hostel und sterilisierten dort im Sterilisator unser benutztes Besteck und gingen mit der anderen Gruppe in der Stadt etwas zu Abend essen.
Es war ein Auf und Ab. Manchmal hatten wir viele Patienten, manchmal hatten wir ziemlich viel Leerlauf. An einem Tag sind wir dann zu dem Schulleiter gegangen und haben so einen Leerlauf angesprochen. Ruckzuck war die Wartebank wieder voll. Wir hatten das Gefühl, dass unsere Hilfe hier gebraucht und gerne angenommen wurde.
Kurz vor Ende unseres ersten Abschnittes kam dann nochmal Trubel auf. Bei einer Leitungsanästhesie reagierte eine Patientin mit einem epileptischen Anfall. Oh je. Die Panik war groß. Die Augen rollten nach hinten, alles verkrampfte sich. Pfötchenstellung und Schaum vorm Mund. Andrea reagierte sofort. Sie klopfte auf das Mädchen, rüttelte und schrie sie an. Damit sie bloß wach bleibt. Tini rannte los, um einen Krankenwagen zu rufen und ich durchwühlte den Notfallkoffer … nach irgendwas. Zu dem Zeitpunkt wussten wir nicht ganz: Ist es ein anaphylaktischer Schock oder ein epileptischer Anfall. Nach einigen Minuten hatte sich alles beruhigt. Das Mädchen lebte und der Krankenwagen war da. Sie nahmen die Patientin trotzdem zur Sicherheit einmal mit. Es kehrte nun Ruhe ein, wir alle waren aber ziemlich aufgewühlt. [Anm.d.Red.: es war wohl eher eine Hyperventilation]
Wir waren uns nicht ganz sicher, ob jetzt noch jemand zu uns kommen würde, da einige Schüler das Spektakel mitbekommen und mit Sicherheit in Todesangst geschwebt haben. Doch es kamen weiterhin Patienten – zu unserem Glück. Die Konsequenz war, dass uns die Schulleitung Zettel aushändigte, um von den Eltern der betroffenen Kinder Einverständniserklärungen einzuholen, wenn Extraktionen (ergo Anästhesien) anstanden. Die letzten Tage an dieser Schule vergingen nun auch noch im Flug, bis wir am Freitag dann abgebaut hatten und mit unserem ganzen Gepäck wieder ins Hostel zurück gefahren sind.
Insgesamt hatte ich das Gefühl an dieser Schule selbst viele Dinge gelernt, aber auch viele Kinder belehrt zu haben. Die Kinder nahmen unsere Anweisungen, sich die Zähne (besser) zu putzen an. Außerdem kamen sie immer wieder, um sich den zweiten Zahn auch noch ziehen oder die dritte Füllung legen zu lassen.
2 Wochen Padilla
Am Sonntag ging es für das Team 1 nach Padilla. Ekkehard, der zwischendurch in dem Projekt in Huancarani war, kam an diesem Wochenende zurück nach Sucre, um uns auf den Ortswechsel vorzubereiten. Abends sind wir zusammen mit all unseren Materialien in einem „Reisebus“ ca. 4 Stunden nach Padilla gefahren. Wir kamen erst sehr spät an, wurden trotzdem direkt am Terminal von Dr. Adalit empfangen. Er ist Zahnarzt in dem Hospital in Padilla. Wir brachten schnell die Ausrüstung ins Hospital und wurden dann in unser neues Zuhause gebracht. Dieses Zuhause war ein Hostel, direkt im Mercado. Mercado bedeutet, ein Innenhof, wo es viele Obststände, andere Essensstände und Möglichkeiten zum Schnick Schnack kaufen, gab. Das Hostel wirkte auf den ersten Blick ganz okay. Leider mussten wir dann feststellen, dass es kein Wasser gab. Nach der langen Fahrt waren wir dann schon etwas enttäuscht, verlegten die Problemlösung dann aber auf den nächsten Tag. Leider gab es am nächsten Tag auch keine Lösung. Wir befanden uns in der Trockenzeit und die ganze Stadt hatte kein, oder nur beschränkt Wasser.
Trotz des Wasserproblems, das uns nicht mehr aus dem Kopf ging, fingen wir am Montag motiviert mit der Arbeit an. Wir lernten weitere Zahnärzte des Hospitals kennen. Wir trugen unsere Sachen vom Lagerraum in das Odontomobil (Typ Mercedes Sprinter mit einer Behandlungseinheit und eingebauten Stuhl). Der Plan war, dass zwei Ortszahnärzte und wir drei zu einer Schule fahren innerhalb Padilla und dann doppelt besetzt behandeln. Das funktionierte sehr gut. Unser Team bekam einen Klassenraum zur Verfügung – dort bauten wir alles auf, dieses Mal schon etwas geübter, und der einheimische Zahnarzt behandelte im Odontomobil vor der Schule. Zunächst waren wir vielleicht etwas neidisch, weil wir auch gerne da drinnen behandelt hätten. Doch die Ausrüstung war schlechter als die unsere, sodass wir uns dann doch sehr schnell sehr glücklich schätzten, in unserem gebastelten Behandlungsraum zu behandeln.
Hier lief alles noch koordinierter ab. Einer der einheimischen Zahnärzte kümmerte sich nämlich darum, dass wir die ganze Zeit genug Patienten hatten. Er dokumentierte alles für uns und half bei sprachlichen Hürden aus. Nach drei Tagen wechselten wir die Schule. Immer noch innerhalb Padillas. Das gleiche Prinzip.
Wir konnten uns wirklich glücklich schätzen, so eine tolle Unterstützung von diesen Zahnärzten zu erfahren. In dieser ersten Padilla–Woche, Andrea’s letzter Woche mit uns, begannen Tini und ich, immer mehr zu übernehmen. Wir behandelten auch öfters zu zweit und Andrea schaute uns dabei über die Schultern. Das Ganze sollte uns darauf vorbereiten, dass wir in den kommenden 3 Wochen auch alleine behandeln würden, da unsere eigentlich geplante, nächste Zahnärztin sehr kurzfristig abgesagt hatte. Donnerstag reiste Andrea dann ab und wir ließen sie nur schweren Herzens von uns ziehen. Wir hatten sie direkt ins Herz geschlossen und konnten uns eine weitere Zeit ohne sie gar nicht vorstellen. Aber sie redete uns Mut zu und wir fühlten uns sehr durch sie bestärkt. So gingen wir dann doch ohne Angst auf die kommende Zeit zu und begannen die nächste Woche voller Zuversicht.
In der folgenden Woche waren wir wieder in einer anderen Schule, wieder doppelt besetzt mit den einheimischen Zahnärzten und wieder halfen sie, wo sie nur konnten. Dieses Mal waren wir aber ohne Andrea und entschieden somit selbst, was gemacht werden musste und was wir uns dementsprechend zutrauten. Bei der ein oder anderen Extraktion holten wir auch einen der anderen Zahnärzte dazu und konnten somit auch sehr interessante Erfahrungen machen. Wir merkten schnell, dass die Zahnärzte hier etwas anders arbeiten als wir. Ein Speichelsauger für alle Patienten? Da fielen wir etwas vom Glauben ab, konnten aber mit unseren Materialien aushelfen. Wir stellten sowieso sehr schnell fest, dass die einheimischen Zahnärzte scharf auf unser Material waren, und da sie außerdem während der Mitarbeit am Projekt kein Geld einnahmen, gingen sie irgendwie davon aus, von uns mitversorgt zu werden. Aber das war dann auch okay.
Die Woche endete für uns schon Donnerstag, da wir unser Visum verlängern mussten. Das Leben in Padilla war insgesamt ganz anders als das in Sucre. Schlichter, ruhiger und es gab absolut kein westliches Essen zu finden. Unser Essen bestand hier aus Kohlenhydraten mit Kohlenhydraten mit Kohlenhydraten, also Reis mit Kartoffeln mit Nudeln. Nach Wahl gab es auch Pollo dazu. Auch abends war hier nicht viel los. Wir verbrachten dann die freie Zeit mit Snacks und Wein auf unserem Balkon, oder wir lasen Bücher. Leider hielt das Wasserproblem bis zum Ende unseres Aufenthaltes an. Dr. Adalit bemühte sich, sogar den Bürgermeister bzw. die Wasserverteilungsorganisation miteinzubeziehen – leider hat aber auch das nicht wirklich geholfen. Zwischendurch hatten wir einen kleinen Hoffnungsschimmer, nämlich, als einmal die Klospülung funktionierte. Als uns dann aber mitgeteilt wurde, dass wir immer nur 1,5 Stunden am Tag, und das in der Zeit von 9:00 bis 10:30, Wasser hätten, starb auch der letzte Funken und wir fanden uns irgendwie damit ab. Wir hatten dann immerhin die Möglichkeit, im Hospital zu duschen oder aber in der Schule selbst (wobei es auch hier nur halbtags Wasser gab). Ich kann immerhin behaupten, dass uns dieser Aufenthalt sehr geerdet hat. Man lernt unterschiedliche Sachen ganz anders schätzen und freut sich wie an Weihnachten, wenn ein Wasserhahn funktioniert, damit man sich die Hände waschen kann. Ich würde behaupten, dass wir durch diese Wochen selbstständiger geworden sind.
Da wir keinen deutschen Zahnarzt an der Seite hatten, waren wir sehr auf unser eigenes Bauchgefühl angewiesen oder die Hilfe der einheimischen Zahnärzte – worüber wir natürlich super glücklich waren.
Die Kinder hier waren auch mindestens genauso süß wie die in Sucre und brauchten auch mindestens genauso dringend unsere Hilfe. Auch wenn wir jeweils nur 3 Tage am Stück in der gleichen Schule waren, haben wir viel geschafft und die Kinder sind uns ans Herz gewachsen. Besonders gerührt waren wir vom kleinen Eric. Die Eltern arbeiteten auf dem Land und er war als Internatskind hier. Er kam jeden Tag in den gleichen Klamotten, total eingeschüchtert und trotzdem gewillt, dass wir ihn behandeln. Wir mussten ihn anfangs zwar etwas zu seinem Glück zwingen, das nahm er dann aber doch gerne an. Vermutlich war er auch einfach froh, etwas Aufmerksamkeit zu bekommen, da er wie ein ziemlicher Einzelgänger wirkte. Da wir seine Eltern nicht erreichen konnten, baten wir die Lehrerin um das Einverständnis fürs Zähne ziehen und bekamen daraufhin den Hinweis, dass das Kind zuhause geschlagen würde, wenn wir Zähne ziehen und wir es deshalb nicht machen sollten. Diese Situation hat uns ziemlich geschockt, aber auch die Augen geöffnet. Wie gut geht es uns in Deutschland? Und wie schön wäre es gewesen, wenn dieser Junge gar nicht erst so schlechte Zähne gehabt hätte...
2 Wochen el Campo (3 Tage Tihumayu, 2 Tage Rosal, 3 Tage Tabacal, 1 Tag superkleiner Ort)
Nach einer Fahrt, auf der wir 7 Tode gestorben sind, waren wir in Tihumayu angekommen. Und es war plötzlich ganz warm. Man merkte, dass wir plötzlich in der Nähe des Amazonas waren, tiefer gelegen und sehr tropisch (viele Moskitos!!). Die Fahrt war extrem holprig, da die „Straße“ noch nicht asphaltiert war. Wir fuhren mit Mireya, einer Zahnärztin aus Padilla (da es sich um die umliegenden Dörfer von Padilla handelte und Padilla in dieser „Provinz“ die größte Stadt war. Alles wurde von hier aus organisiert – deshalb ließen wir auch unser großes Gepäck in unserem Mercado-Hostel in Padilla), ihrem 4-jährigen Sohn Issa und einem Fahrer dorthin.
Uns erwartete ein kleines Krankenhaus, wo wir sowohl einen Behandlungsraum als auch ein Schlafzimmer bekamen. Dieses Schlafzimmer, das sonst die Funktion eines Krankenzimmers hatte, teilten wir mit Mireya und
ihrem Sohn. Hier funktionierte zum Glück das Wasser. Ich möchte an dieser Stelle schon einmal vorweg nehmen, dass Tihumayu das absolute Highlight war. Hier gab es auch einen Zahnarzt vor Ort, Ayden, der zusammen mit Mireya in einem separaten Zimmer behandelte. Die Gastfreundschaft und Freundlichkeit der Menschen hier hat wirklich die aller anderen getoppt. Nicht nur der hier lebende Zahnarzt, sondern auch die restlichen Bewohner der Stadt nahmen uns herzlichst in Empfang. Wir wurden jeden Tag: morgens, mittags und abends von einer Dame (sie selbst ist die Mutter von 2 unserer kleinen Patienten) bekocht, welche wiederum von den Eltern unserer Patienten dafür entlohnt wurde. Sie ging auf unsere speziellen Wünsche ein, interessierte sich sehr für uns und bedankte sich jedes Mal, wenn wir gingen, aufs Neue für unsere Arbeit. Als besonders schön empfand ich, dass wir eine richtige Einheit geworden sind. Wir aßen immer zusammen mit Ayden, Mireya und Issa und verbrachten ebenso die Pausen zusammen. In einer dieser Pausen sind wir herumspaziert und haben uns auch den süßen kleinen Fluss zeigen lassen, in dem wir zur Abkühlung etwas plantschen konnten. An einem Morgen erklärte sich Ayden bereit, uns vor der Arbeit auch die etwas weitere Landschaft zu zeigen und lud uns zu einem kleinen Morning-Hike ein. Das war ziemlich beeindruckend und wir waren ziemlich gerührt von dieser Geste. Mit anderen Worten: Die 3 Tage hier vergingen wie im Flug und wir mochten am liebsten gar nicht mehr fort.
Auch die Behandlungen liefen sehr gut. Wieder wurde sich für uns darum gekümmert, dass wir ständig genug Patienten hatten. Dieses Mal kamen die Schüler und Schülerinnen zu uns ins Krankenhaus. Das Alter war sehr durchmischt. Zwischen 8 bis 16 war alles dabei.
Dann ging es weiter. Für Donnerstag und Freitag stand Rosal auf dem Plan. Ebenfalls ein kleiner Ort – für mich wirkte es sogar so, als bestünde der Ort einzig und allein aus dem Krankenhaus und dem Internat. Hier hatten Tini und ich sogar ein eigenes Zimmer, wieder ein „Krankenzimmer“ und warmes Wasser (das war immer der allererste Test). Hier in dem Krankenhaus lebte eine Krankenschwester mit ihrer Tochter, die gleichzeitig den gesamten Laden schmiss. Von ihr wurden wir bekocht und auch sie war super interessiert und es fanden sehr entspannte und bereichernde Gespräche statt. Auch wenn Vegetarismus nicht nachvollzogen werden konnte, gab sie sich sehr viel Mühe fleischlose Varianten, die nicht nur aus Kartoffeln und Reis bestanden, für uns zu kochen.
Unsere Patienten hier waren, wie zu erwarten, sehr süß. Wie immer. Hier begegneten uns aber auch etwas öfters Kinder mit viel besseren Zähnen. Das erwärmte natürlich sofort das Herz. Außerdem fiel uns hier auf, wie schmerz-erträglich die Kinder sind. Ein 4 jähriger Junge lies sich ohne zu Zögern zwei Füllungen legen und kooperierte erstaunlich gut. Da hier insgesamt nur 12 Kinder zum Internat gingen und unsere Patientenzahl dementsprechend überschaubar war, fingen wir am zweiten Tag auch an, Erwachsene zu behandeln. Auch das funktionierte sehr gut.
Nachdem diese Woche um war, waren all unsere Wünsche erfüllt. Wir fühlten uns so wohl und es hatte uns so Spaß gemacht, dass wir an dieser Stelle schon wussten, dass dieses Gefühl nicht mehr getoppt werden konnte. Aber es ging noch weiter. Am nächsten Montag fuhren wir wieder aus Padilla los, dieses Mal mit Dr. Adalit, Richtung Tabacal. Wie letzte Woche, wollten wir hier bis Mittwoch Abend bleiben und für Donnerstag dann noch einmal den Ort wechseln.
Tabacal ist ebenfalls ein tropischer Ort. Ein genauso schöner Fluss, wie in Tihumayu, durchfließt die Ortschaft und genauso liebe einheimische Bewohner leben hier. Der ortssässige Zahnarzt heißt Mayer und war super freundlich. Er bemühte sich, dass wir alle wunschlos glücklich waren. Wieder schliefen wir in einem Krankenzimmer und direkt nebenan befand sich das Behandlungszimmer – sehr entspannt. Gegessen haben wir in einem kleinen Raum den Fluss entlang. Dort kochte eine Dame für uns und Mayer gab immer unsere vegetarischen Sonderwünsche weiter – und sie wurden immer super erfüllt. Er importierte uns sogar zwei Flaschen Wein aus Padilla, nur weil wir einmal angemerkt hatten, dass wir gerne Wein trinken... sehr zuvorkommend also. Also waren wir auch hier rundum glücklich.
Etwas unbefriedigender war allerdings die Patientensituation. Irgendwie kam das „Landleben“ hier ziemlich deutlich zum Vorschein. Die Kinder waren sehr eingeschüchtert, wollten zum Teil auf ganz einfache Fragen nicht antworten oder haben sich geweigert den Mund auf zu machen. Und... sie waren nicht mehr so dankbar wie sonst. Hauptsache schnell wieder aus dem Raum raus. Man konnte es den Kindern nicht verübeln. Schließlich waren wir auch Wildfremde mit komischen Haarfarben und schlechtem Spanisch für sie. Dennoch war es hier wirklich besonders auffällig, dass alles sehr schlicht war. Reihenweise fiel uns auf, dass die Eltern das Geburtsdatum des Kindes nicht kannten, nicht schreiben konnten oder nicht verstanden, warum der Zahn gezogen werden musste. Trotzdem behandelten wir hier fleißig und der Andrang war groß. Es kamen ganze Schulklassen in Märschen zu uns und warteten vor dem Behandlungsraum. Es war wie ein Schulausflug mit 3 stündiger Wanderung. Das war sehr beeindruckend. Würden wir in Deutschland so etwas auf uns nehmen? Vermutlich nicht.
An unserem letzten Tag, Mittwoch, behandelten wir nur bis Mittags – dann waren auch alle Kinder, die es zu behandeln gab, behandelt. Jetzt musste natürlich noch der extra bestellte Wein getrunken werden. Und Chicha natürlich auch. Das ist das traditionelle, alkoholische Getränk der Südamerikaner, auch bekannt als das „Spucke-Bier“. Dieses Getränk hatte es natürlich in sich, vor allem bei dieser Hitze. Trotzdem war es eine tolle Abschieds-Zeremonie, die uns jedoch nicht die Angst vor der bevorstehenden, holprigen Autofahrt nehmen konnte.
Donnerstag waren wir dann noch in einem Ort, der maximal 2 Straßen breit war. Wir bauten in einem Zimmer unsere Sachen auf und die Patienten kamen zu uns. Ebenso wie auch in Tabacal, waren die Kinder sehr
schüchtern und manchmal war es schwer sie zu behandeln. Trotzdem hat alles geklappt und wir konnten dem Ende des Projektes schon ins Auge sehen. Nur noch alles abbauen, sauber machen, verstauen und ab nach Padilla – ab nach Sucre.
Insgesamt kann ich sagen: 6 Wochen sind echt eine lange Zeit. 6 Wochen in denen man so viel Neues lernt. 6 Wochen in denen man wirklich was bewirken kann. Wenn zweimal im Jahr ein Team an diese Orte fährt, so haben die Kinder dort wirklich eine Chance auf eine angemessene Zahngesundheit. Wenn man unser Projekt in die ersten und die letzten drei Wochen unterteilt, fällt es mir schwer zu entscheiden, was am tollsten war. Es war goldwert, Andrea bei uns zu haben. Von ihr habe ich so viel lernen können und auch als Freundin und Reisebegleiterin war sie einfach fantastisch. Genauso spannend waren dann auch die letzten drei Wochen für mich, in denen wir die Möglichkeit hatten,
sehr viel alleine oder eben mit einheimischen Zahnärzten zusammen zu arbeiten. Diese bunte Mischung hat alles perfekt gemacht. Großstadt, Dorf, Land mit gebildeten, ungebildeten Menschen in reicheren und ärmeren Verhältnissen lebend. Von allem war was dabei und genau aus diesem Grund hat mich dieses Projekt auch zwischenmenschlich sehr viel lernen lassen.

Ich möchte diese 6 Wochen Bolivia Movil nicht missen und ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich all den Mitwirkenden bin. Es gehören so viele Komponenten dazu, ohne die das Projekt nicht möglich geworden wäre. Allen voran Ekkehard, der ab dem ersten Moment dabei war und immer zu erreichen war, selbst als er wieder in Deutschland war. Dann natürlich auch alle anderen Mitglieder und die ganzen Spenden. Und ganz besonders dankbar bin ich natürlich den tollen Menschen, die mir auf diesem Weg begegnet sind, mit denen ich diese unbeschreiblichen Momente teilen konnte. Tini und Andrea, Jana, Anna und Michi und auch die wunderbar engagierten bolivianischen Zahnärzte, die Tini und mich so liebevoll aufgenommen haben und mir wirklich ans Herz gewachsen sind. Ich danke euch!

Und ganz zum Schluss noch eine kleine Auflistung unseres Wochenendprogramms:
Wochenende 1: Ankunft Sucre
Wochenende 2: Salar de Uyuni (Freitag war ein Feiertag, dadurch hatten wir ein verlängertes Wochenende)
Wochenende 3: Maragua Trekking Tour (gebucht im Condor Café in Sucre)
Wochenende 4: Quad Tour im Gebirge um Sucre herum
Wochenende 5: La Paz (Visumsverlängerung) und Weiterfahrt nach Copacabana, Titicacasee und Isla del Sol
Wochenende 6: Entspannungswochenende in Sucre
Wochenende 7: Ende des Projektes und Weiterreise über La Paz (Death Road) nach Peru für 10 Tage

Lena Göbell
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