Nagel, Sophie - FCSM-WEB-Seite

Direkt zum Seiteninhalt

Nagel, Sophie

Erfahrungsberichte > Archiv
Guadalupe, 10. - 21. Dezember 2018
Nach nur insgesamt 18 Stunden Flugzeit, 6 Zeitzonen, 11.000 km, 6 Impfungen im Vorfeld, gefühlten 180 Passkontrollen auf 3 Kontinenten, 2.800 Höhenmetern einmal hoch und wieder runter, 30 Grad Temperaturunterschied und 3 Stunden Busfahrt war ich auch schon da: In einem Dentallabor mitten im ecuadorianischen Dschungel.
Warum zum Teufel, sollte man sowas freiwillig machen? Berechtigte Frage.
Jetzt, wo ich das gerade so aufschreibe, denke ich mir auch, dass ich ganz schön einen an der Waffel habe. Aber so sind wir Zahntechniker eben manchmal.
Nun also, back to the roots. Denn warum habe ich eigentlich damals Zahntechnikerin werden wollen? Genau, ich wollte den Menschen ein schönes Lächeln schenken. Das vergisst man im Alltagsstress manchmal schnell. In einer Gegend, wo die Menschen nicht viel besitzen, sind sie sehr dankbar für jede Hilfe.
Da war ich also – mitten im Nirgendwo und wollte ehrenamtlich Prothesen für die Einheimischen herstellen.
Die katholische Clinica Santa Maria liegt im Yacuambi Tal in Guadalupe und wird vom Padre José Gonza und den Nonnen geführt – alle zusammen waren ein spitzen Team. Man hat sich direkt nach Ankunft heimisch gefühlt.
Ein deutscher Zahnarzt und eine Zahntechnikerin waren bereits vor mir da und konnten mir erklären wie alles abläuft. Jeden Morgen um 8 Uhr haben wir alle gemeinsam unseren Dienst angetreten. Vor der Klinik saßen dann schon immer viele Patienten. Teilweise reisen sie aus bis zu 300 km Entfernung an, um von einem Zahnarzt untersucht zu werden und eine Prothese zu bekommen, und trotzdem sitzen alle mit einem breiten Grinsen vor der Klinik und begrüßen dich mit dem freundlichsten „Buenos dias“, was man nur hören kann.

Dann ging das Zahntechnik-Abenteuer los. Wenn man schon mal da ist, hat man natürlich auch den eigenen Ansporn, so vielen Menschen wie möglich zu helfen und will niemandem sagen, dass er nicht mehr versorgt werden kann.
 
 
Dem Labor fehlt es an nichts, aber aufgrund des Klimas sind die werkstoffkundlichen Voraussetzungen dort eher – nennen wir es - herausfordernd. High-Tech gibt es hier nicht! Die Artikulatoren sind gefühlt von 1872, Vakuumrührgerät ist ein Fremdwort und wenn du neues Sandpapier aus der Schublade benötigst, dort aber eine riesen Kakerlake sitzt, dann machst du die Schublade eben wieder zu und musst dir etwas anderes einfallen lassen. (Anm.d.Red.: Na, na, Kakerlaken sind doch harmlos!)
 
 
Und gerade deswegen macht es so unfassbaren Spaß dort zu arbeiten. Kunststoff-Prothetik war nie so meine Abteilung und ich stand mit dem Klammernbiegen immer ein bisschen auf Kriegsfuß, aber wenn du währenddessen auf eine Ananas-Plantage vor deinem Fenster schaust, die Grillen im Dschungel zirpen hörst, die Papageien vor dem Labor hin und her fliegen und die Patienten begeistert vor dem Fenster stehen, dir zuschauen und sich bei dir bedanken, dass du da bist, dann weist du, dass sich jeder Kilometer der Reise gelohnt hat.
 
Auch die Kinder aus dem Dorf kamen jeden Tag gern zu uns und haben sich über die Gummizähnchen gefreut - natürlich ohne Zucker!
 
 
Mittags wurden wir von den Nonnen bekocht, Unterkunft und Verpflegung sind natürlich frei für die Helfer – leider, denn ich habe glaube in den ersten zwei Wochen 5 Kilo zugenommen, weil das Essen so unfassbar gut war. 17 Uhr war Feierabend und dann konnte man entweder in der Hängematte relaxen und die wunderschöne Aussicht genießen, oder man schaut sich den Ort an, dann ist man aber nach 10 Minuten fertig. Oder man fährt einfach mit dem Bus in die nächstgrößere Stadt und trinkt einen vino tinto.
 
 
Für diese Erfahrung in Ecuador habe ich dieses Jahr Weihnachten mit meiner Familie ausfallen lassen. Es war ein komisches Gefühl, aber auch bei 30 Grad hatten alle Klinikmitarbeiter eine gemeinsame Weihnachtsfeier.
 
 
Es gab Geschenke vom Padre José und viele warme Worte und natürlich wieder leckeres Essen. Aber auch von uns - denn meine Zahntechnikerkollegin und ich haben deutsche Plätzchen für alle gebacken.
 
 
Wer auch gerne in glückliche Gesichter mit einem dankbaren Lächeln (nach der Behandlung sogar mit vollständiger Zahnreihe) schauen möchte, dem kann ich nur empfehlen nach Guadalupe zu reisen, um zu helfen. Oder vielleicht hat jemand einen (etwas neueren) Artikulator im Labor stehen, der nicht mehr benötigt wird oder Zahngarnituren oder oder…
 
Der Förderkreis Clinica Santa Maria e.V. (FCSM) freut sich über jede kleine Spende. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass Flemming Dental Leipzig dieses Jahr auf Weihnachtsgeschenke für unsere Kunden verzichtet hat, um einen Geldbetrag an die FCSM zu spenden, und ich habe quasi mich gespendet. Ein rundum schönes Gefühl. So kann man beruhigt in’s neue Jahr starten.
 
 
Für mehr Informationen stehe ich gern zur Verfügung. Hier schon mal eine: Ein bisschen spanisch lernen. Ich habe, naiv wie ich bin, gedacht, dass man wenigstens in Quito, der Hauptstadt von Ecuador, mit englisch weiterkommt. Die Antwort ist: Nein!!
 
 
Hasta pronto,
 
 
Sophie Nagel
 
Praxisbetreuerin Flemming Dental Leipzig und glückliche FCSM-Volontärin

Zurück zum Seiteninhalt